Neuer Markt noch zu retten?

Gerüchte über Neukonzeption der deutschen Börsenlandschaft mehren sich. Im Mittelpunkt steht der Neue Markt, dessen Kursverfall von vielen Bankern als „rufschädigend“ wahrgenommen wird. Experten glauben an neue Segmentierung

aus Frankfurt/M. K.-P. KLINGELSCHMITT

Die im Nemax 50 der Deutschen Börse AG vertretenen Unternehmen der New Economy sind offenbar dabei, sich selbst zu ruinieren – und den gesamten Neuen Markt gleich mit. In den letzten Tagen mehren sich die Gerüchte, dass sich das Technologiesegment der Deutschen Börse überlebt hat und man nur noch nach einer Möglichkeit sucht, es aufzulösen oder in eine neue Form zu überführen.

Im März 2000 hatte der Nemax 50 seinen Höchststand von 9.632 Punkten erreicht. Die Anleger schlachteten ihre Sparschweine, um bei den Börsengängen noch der kuriosesten Unternehmen der New Economy dabei zu sein. Und heute? Gestern dümpelte der Nemax 50 an der 350er-Marke herum. Vorgestern war er schon einmal kurz unter die magischen 300 Punkte abgerutscht.

Alles aus und vorbei also für den Neuen Markt? Das glaubt etwa Heinz Hilger, Vorstandsmitglied der DZ Bank, die zahlreiche Börsengänge von Firmen der New Economy am Neuen Markt begleitete. So, wie er jetzt existiere, sei der Neue Markt „nicht mehr nachhaltig wiederzu beleben“, sagte Hilger am Dienstagabend auf einer Tagung des Handelsblattes zur „Börse der Zukunft“.

Auch die Vertreter anderer Banken sprachen von einem „rufschädigenden Kursverfall“ und konstatierten, dass das verloren gegangene Vertrauen der Anleger in den Neuen Markt nicht mehr zurückgewonnen werden könne. Diese mieden sogar Fonds mit Werten aus dem Neuen Markt wie die Pest – zum großen Bedauern der Banken.

Dass es eng wird für den Nemax 50, weiß man auch bei der Deutschen Börse AG und bei den Unternehmen. Einige dieser Firmen haben schon zu Jahresbeginn einen Arbeitskreis gegründet, der Strategien gegen den drohenden Untergang entwickeln sollte. In einer so genannten Frankfurter Erklärung verpflichten sie sich auf die deutschen Corporate-Governance-Regeln, die eine Kommission unter Leitung des Aufsichtsratsvorsitzenden von Thyssen-Krupp, Gerhard Cromme, erarbeitet hat. Darin heißt es, dass Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ihre Vergütungen demnächst „detailliert“ in den Geschäftsberichten veröffentlichen und ihre Geschäfte mit Aktien des eigenen Unternehmens publizieren sollten. Bei der Weitergabe von Informationen seien Anleger genauso zu berücksichtigen wie etwa die Analysten der Banken.

Doch den meisten Unternehmen ist das schon zu viel Transparenz. Wie Insider berichten, haben erst wenige Firmen aus dem Nemax 50 die Erklärung gezeichnet. Ein Sprecher der Deutschen Börse AG sagt, dass diese zwar auch an mehr Transparenz am Neuen Markt interessiert sei. Auf die Erklärung verpflichten wolle sie die Nemax-50-Unternehmen allerdings (noch) nicht.

Anderen dagegen geht die Frankfurter Erklärung allerdings längst nicht weit genug. Jörg Franke etwa, Mitglied im Rat der Berliner Börse und früher einmal Vorstandsmitglied der Deutschen Börse AG, forderte in einem Gespräch mit dem Darmstädter Echo eine strenge Segmentierung der gesamten Börsenlandschaft in Deutschland: eine Zweiteilung in eine Börse mit traditionellen Standardwerten und verlässlichen Unternehmen auch der New Economy und eine andere ausschließlich für Risikoanleger. Auch die Börse AG soll an einem solchen Konzept arbeiten. Eine Bestätigung dafür gab es gestern nicht. Viele Börsianer, die inzwischen schon klaglos die permanenten Kurseinbrüche hinnehmen, sind generell skeptisch. Geschehe nicht bald etwas, werde sich das Problem Nemax 50 schon bald von selbst erledigen, glauben sie.