„Wir brauchen einen Befreiungsschlag“

Städtetagsvize Herbert Schmalstieg will, dass die Gewerbesteuer endlich wieder Geld in die Stadtsäckel bringt

taz: Herr Schmalstieg, die Wahl ist kaum vorbei – schon schimpfen die Bürgermeister wieder. Warum nur?

Herbert Schmalstieg: Die Städte schimpfen nicht, sie tragen der neuen Bundesregierung ihre Nöte vor. Wir müssen erreichen, dass in den nächsten vier Jahren mehr für die Städte getan wird.

Das wollen alle Lobbyisten. Warum sollten die Städte bevorzugt werden?

Weil ohne die Städte kein Staat zu machen ist. Wenn die Bürger irgendwo spüren, dass etwas schief läuft, dann ist es, wenn vor ihrer Haustür die Probleme sichtbar werden – in ungepflegten Schulen und Kindergärten zum Beispiel. Der aktuelle Einnahmeverfall der Kommunen verhindert, dass wir Straßen und Anschlüsse in Ordnung halten und den Stadtbürgern Lebensqualität bieten können.

Warum nutzen Sie Ihren Draht in die SPD nicht – die Genossen haben doch mit ihrer Steuerreform einen Teil des Einnahmeverfalls verursacht?

Diese Steuerreform haben nicht allein die Genossen beschlossen. Der Bundesrat hat das abgenickt – und den Ländern einen höheren Anteil an unserer wichtigsten Steuerquelle genehmigt, der Gewerbesteuer. Wir versuchen unseren Einfluss in die Regierungsparteien natürlich geltend zu machen. So haben wir die Einrichtung einer Kommission zur Gemeindefinanzreform erreicht.

Tut die Kommission denn schon was?

Sie tagt, und auch wir sitzen da mit drin. Wir wollen erreichen – wie es Ende der 60er-Jahre schon einmal gelang –, dass die Gemeindefinanzreform einen Befreiungsschlag für die Unabhängigkeit der Kommunen in der Republik bringen wird.

Sie wollen mehr Steuereinnahmen für die Städte, ein staatliches Kommunalinvestitionsprogramm und zusätzlich noch die Ausgaben für Sozialhilfeempfänger senken. Ist das nicht ein bisschen dicke?

Wir wollen das Geld doch nicht verpulvern. Allen staatlichen Ebenen fehlt Geld – dieses Problem muss gelöst werden. So wie bisher kann es nicht weitergehen. Wir habe in Hannover in zehn Jahren vier Konsolidierungsprogramme für unsere Finanzen auflegen müssen – gerade jetzt versuchen wir, Einsparungen in Höhe von 124 Millionen Euro zu realisieren. Irgendwo ist die Grenze erreicht!

Ihre steuerlichen Forderungen zielen vor allem auf die Gewerbesteuer, die Sie „revitalisieren“ wollen. Was heißt das?

Die Gewerbesteuer ist im Laufe der Jahre Stück für Stück amputiert worden. Alle lohnsummen- und kapitalintensiven Kriterien zur Bemessung der Steuer sind herausgeflogen. Das heißt: Unternehmen bezahlen ihre Steuern heute nur noch aus dem Ertrag – den aber können sie selbst so beinflussen, dass kaum mehr Steuern am Firmensitz anfallen. Auf Deutsch: In manchen Kommunen zahlt 1 Prozent der Gewerbesteuerzahler 70 Prozent des Aufkommens. Wir müssen also die Bemessungsgrundlage verbreitern – warum sollen Rechtsanwaltskanzleien oder Zahnarztpraxen nichts dafür zahlen, dass wir ihnen einen Picobello-Stadtraum zur Verfügung stellen?

Wie denken Sie über die so genannte kommunale Wertschöpfungsabgabe, wie sie die SPD-Linke fordert?

Wir sollten das Steuerrecht nicht zusätzlich verkomplizieren. Uns würde es genügen, die Einnahmen aus der Gewerbesteuer zu verstetigen.

Ziehen die Städte dabei an einem Strang?

Dass wir jetzt die Öffentlichkeit erreichen, ist doch nur dem Umstand zu verdanken, dass inzwischen auch reiche Städte wie Frankfurt oder München Haushaltssperren erlassen müssen. Ich in Hannover kenne das Problem schon sehr lange. INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER