Unbehandeltes Pergament

Ausgestellt im Botanischen Garten: Größte deutsche Privatsammlung chinesischer Schattenspielfiguren

An der Wand hängt ein großes Stück Haut – das illustriert am besten die Antwort auf die derzeit meistgestellt Frage im „rollenden Gewächshaus“ im Botanischen Garten in Klein Flottbek. Fast alle Besucher wollen wissen, woraus die chinesischen Schattenspielfiguren und Kulissen geschnitten sind, die dort in einer kleinen Ausstellung zu sehen sind. Und wer kennt – im Gegensatz zu gegerbtem Leder – schon unbehandeltes Pergament vom Rind: farblos-transparent und eine Spur elastisch. „Ein unglaublicher Werkstoff“, erklärt Luise Thomae: „Dauerhaft und sehr gut zu verarbeiten.“

Manche der erstaunlich fein ziselierten Formschnitte, die hier zu bewundern sind, haben mit Sicherheit schon mehr als 100 Jahre auf dem Buckel. Thomae hat die Pretiosen bei mehreren Reisen auf eigene Faust durch die VR China zusammengetragen. Schon als Kind vom Schattenspiel fasziniert, hat sie im Laufe ihres Lebens sich immer mehr den filigranen Figuren verschrieben. Seit Jahren ist sie Mitglied der Hamburger Schattenbühne. Einen Teil ihrer umfangreichen und wohl größten deutschen Privatsammlung chinesischer Schattenspielfiguren zeigt sie nun im Rahmen der China-Wochen.

Da tummeln sich in Palästen, Stuben oder vor Pagoden Kaiser und Bauern, Konkubinen und Affenkönig, Drachen und Phönix: jede Menge Personal aus Fabeln und Sagen, das in seiner Heimat so bekannt ist wie hierzulande die Grimmschen Märchen. Auch ungeübte Augen erkennen die alten feinen Arbeiten mit irisierenden Naturfarben im Gegegensatz zu den heutigen hingehuschten Schnitten. Nachdem nur wenige Figuren, Geschichten und Spieler die Kulturrevolution überstanden hatten, droht für diese Tradition heute angesichts von Video und anderer Unterhaltungselektronik das Aus.

So entsteht hier, wenn auch in kleinem Rahmen, das auch aus anderen Kulturen bekannte Phänomen, dass unversehens im Ausland Dokumentationen einer daheim verloren gehenden Kunst entstehen. Denn auch um Rekonstruktionen macht sich Luise Thomae verdient, wie an einem wunderbar ornamentierten Reitelefanten zu sehen. Ihm wurde mal der Reiter aus dem Sattel geschnitten, nur die Beine zeugten noch von ihm. Inzwischen gibt es einen neuen Oberkörper. Dessen Geschichte erzählt die Ausstellungsmacherin gerne persönlich. Oder zeigt auf Videos die Kleinodien in Aktion.

Oliver Törner

täglich 9–18 Uhr, Botanischer Garten/Klein Flottbek; bis 1. Oktober