Gurkenähnliche Wesenheiten

In Postkarten und Schwarzweiß-Fotografien hineingemalt: Marc Lüders zeigt die Ergebnisse eines Stipendiumsaufenthalts in Olevano in Christoph Graus Agentur für zeitgenössische Kunst

Das schöne Klischee, Italien sei das Traumland der Deutschen, ist in der Kunst nicht nur begründbar, es wird stets weiter gepflegt. Auch wenn ein knapp 40jähriger Hamburger Künstler ein Stipendium für die Casa Baldi in Olevano Romano bekommt, kann er sich den allfälligen kunsthistorischen Bezügen nicht entziehen. Marc Lüders, bekannt geworden durch feine malerische Interventionen in Fotos, hat seinen Studienaufenthalt am Sehnsuchtsort der deutschen Romantiker nahe Rom gerade beendet. Jetzt zeigt er unter dem Titel Olevano Ergebnisse in der Galerie von Christoph Grau.

Marc Lüders hat sich Postkarten von touristischen Highlights gekauft, dann aber in alle eins seiner kaum zu beschreibenden Objekte hineingemalt. Das sind grauschwarze Pinselspuren aufweisende, gurkenähnliche Wesenheiten, die über dem Wasser als Delphin, am Himmel als Zeppelin und im Brunnen als Molluske erscheinen, die an der Taille eines Barockengels zwischen dynamischer Parallelform und leicht pornographischen Assoziationen schwanken und unter der Kuppel von St. Peter wie eine außerirdische Erscheinung wirken.

Doch nicht nur auf den Postkarten sind diese Formen zu entdecken, auch auf größeren Schwarzweiß-Fotos von weichem Waldboden oder historischem Pflaster lassen sie sich finden: Immerhin etwas, was all die berühmten Künstler vor Marc Lüders nicht wahrzunehmen vermochten.

Und doch bleibt ein Bezug auf die kunstgeschichtsgesättigte Wahrnehmung nicht aus: Das Foto aus der Serpentara, dem Bosco Tedesco, den die romantischen Maler einst selber pflanzten, ist in einem so unwirklichen Grün gehalten, wie es nur feinste Übermalung mit Öl erlaubt. Und auch die geballten Wolkenformationen über der Landschaft sind ein deutlicher Bezug auf die Dramatisierungstechniken der alten Meister: Wieder wird eine Landschaft durch ergänzende Lasurmalerei verdichtet und eindrucksvoller gemacht, als es eine Momentaufnahme zeigen kann.

Doch vielleicht produziert nicht nur der Künstler vorm geschichtsträchtigen Ort seine malerische Überhöhung, vielleicht schafft sich ein Ort selbst seine Betrachter: Zwischen den Pilastern in der Vorhalle des Pantheons, wo sich die Wand schon vor lauter eingeritzten Inschriften in Unschärfe auflöst, erscheinen plötzlich gemalte Touristen.

Hajo Schiff

Mi–Fr 16–19 Uhr, Christoph Grau – Agentur für zeitgenössische Kunst, Zöllnerstraße 23; noch bis 4. Oktober