Die Pest an Bord

Der Schiffbau auf den deutschen Werften kommt aus der Krise nicht heraus. Die Konkurrenz aus Südkorea und Japan ist billiger und übermächtiger denn je

Gestorben wird seit Jahren. Es ist ein schleichendes Ableben, mal geht es dem Patienten etwas besser, dann kommt wieder ein Rückschlag. Im Moment sieht es extrem schlecht für den deutschen Schiffbau aus. Die Konkurrenz aus Südkorea ist übermächtiger denn je, die Hilfen der EU bringen wenig. „Die Situation ist dramatisch“, sagt der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Frank Teichmüller. Die Gewerkschaft stellte gestern auf der Hamburger Schiffbau-Messe die Ergebnisse einer Umfrage unter den deutschen Werften vor.

„Eigentlich haben wir in Europa die Zeit verschlafen und sind viel zu spät dran“, sagte Teichmüller. Dass Südkorea und Japan mit Dumping-Preisen einen Auftrag nach dem anderen an Land ziehen, ist seit Jahren bekannt. Doch alle Maßnahmen der EU dagegen sind bisher im Sande verlaufen oder waren viel zu zögerlich. Mit dem Resultat, dass die deutschen Werften an der Küste vom September des Vorjahres bis jetzt lediglich neun größere Aufträge akquirieren konnte. Das sind gerade mal 1,1 Prozent des Weltmarktes. Zum Vergleich: An Japan gingen in derselben Zeit 45 Prozent, an Südkorea 35 und an China 10 Prozent der Aufträge.

Auf die Beschäftigtenzahl der Werften hat sich dies allerdings bisher noch nicht aktuell negativ ausgewirkt, stellt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel heraus, der diese Umfragen seit Jahren im Auftrag der IG Metall erstellt. Noch ist die Auslastung durch das Abarbeiten von Aufträgen an den meisten Werften gut. Doch dies, so Hickel, „steht auf tönernen Füßen“. Die kritische Phase beginnt, wenn die jetzt noch auf der Werft liegenden Schiffe fertiggebaut und keine Nachfolgeaufträge mehr da sind.

21.800 Menschen arbeiten zurzeit auf den Werftstandorten an der Küste. Größter Arbeitgeber ist immer noch die HDW in Kiel mit 3430 MitarbeiterInnen – vor zehn Jahren waren es in Kiel aber noch 4700. Bei Blohm&Voss in Hamburg ist die Zahl der Beschäftigten mit 1100 im Vergleich zum Vorjahr konstant geblieben. Die große Krise aus der Mitte der 90er, als fast 3000 Jobs abgebaut wurden, ist vorbei, die Traditionswerft hat sich auf niedrigerem Niveau stabilisiert.

Wie lange das so bleibt, kann angesichts der verzerrten Wettbewerbsverhältnisse am Weltmarkt aber zurzeit niemand sagen. So gibt die EU zwar Subventionen an die Europäer frei, doch die gehen aus Teichmüllers Sicht in die völlig falsche Richtung: „All die Nischen, die sich die europäischen Werften suchen, bekommen keine Fördermittel. Stattdessen wird der Bau von Tankern subventioniert, der seit Jahren auf den hiesigen Werften keinen mehr interessiert.“

Der nächste Todeskandidat steht schon fest: Die Bremerhavener SSW-Werft mit ihren 700 Beschäftigten hat gestern Insolvenz beantragt. PETER AHRENS