EINE GRÜNE JUSTIZMINISTERIN WÄRE GUT FÜR DIE PARTEI – UND DAS LAND
: Drei Minister reichen nicht

Da haben die Grünen schon mit Joschka Popstar Wahlkampf geführt, doch bei den Koalitionsverhandlungen machen sie einen Fehler wie aus Jutta Ditfurths Zeiten: Sie überschätzen Strukturen und unterschätzen Personen. Warum sonst würden sie trotz ihres Stimmenzuwachses auf einen vierten Minister verzichten? Künast, Trittin und Fischer wollen lieber die Macht ihrer Ministerien erweitern. Doch die Grünen sind ihren Wählern mehr schuldig als ein oder zwei neue Abteilungen im Verbraucherschutzministerium.

Wenn es je eine Chance gab, den Dreiklang grüner Programmatik wiederherzustellen, dann jetzt: Neben einer gesunden Umwelt und Ernährung sowie einer zivilisierten Außenpolitik müssen die Grünen die Bürgerrechte wieder in den Mittelpunkt rücken. Das geht am besten mit einer grünen Justizministerin. Die Grünen knüpfen damit nicht nur an ihre vernachlässigte Tradition als Anwalt der Minderheiten an. Das Justizressort ist das Infrastrukturministerium des Rechtsstaats. Was hier aus- und umgebaut wird, betrifft die ganze Wirtschafts-, Gesellschafts- und Verfassungsordnung. Strategisch könnten die Grünen sogar der FDP das Rechtsstaatserbe abnehmen, das nicht erst Westerwelle und Möllemann verlottern ließen. An geeigneten Bewerberinnen mangelt es den Grünen nicht (und eine Frau sollte es auch diesmal machen): Neben Noch-Fraktionschefin Kerstin Müller gibt es mit Anne Lütkes eine profilierte Landesjustizministerin, die es im Kieler Kabinett von Heide Simonis zur stellvertretenden Ministerpräsidentin gebracht hat. Gegen die beiden Juristinnen mit jahrelanger Erfahrung, unter anderem beim Ausländerrecht, können die SPD-Anwärterinnen nicht wirklich punkten: Die junge Ute Vogt hat noch zu wenig politisches Gewicht, die Fluthilfe-Koordinatorin Brigitte Zypries hat ihre Stärken vor allem im Organisatorischen. Außerdem kommen beide aus dem Dunstkreis des Innenministeriums: Vogt als Vorsitzende des Innenausschusses, Zypries als Staatssekretärin bei Schily.

Widerstand des Kanzlers müssen die Verhandlungsführer nicht fürchten: Für eine grüne Justizministerin muss Schröder keinen seiner Getreuen aus dem Kabinett kegeln – Däubler-Gmelins Abschied sei Dank. Auch thematisch gewinnt der SPD-Chef mehr, als er verliert: Seine Regierung verträte die Spannbreite von Schily’scher Härte bis zum bürgerrechtlichen Ausgleich. Wenn grüne Minister ihre Arbeit gut machten, hat Schröder sich noch jedes Mal ihrer Verdienste gerühmt, als wären es seine. Warum nicht auch bei einer grünen Justizministerin? PATRIK SCHWARZ