Westafrika wird interessant

Die USA haben bei der Suche nach nichtarabischen Öllieferanten Afrika entdeckt.Nun soll der Inselstaat São Tomé die Basis einer dauernden US-Militärpräsenz werden

BRÜSSEL taz ■ Im Rahmen der Diversifizierung ihrer Ölquellen verstärken die USA ihr Interesse für die Ölländer Afrikas entlang des Golfes von Guinea von Nigeria bis Angola. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Inselstaat São Tomé e Príncipe, der im Atlantischen Ozean südlich von Nigeria liegt. Laut einem Abkommen, das Ende August zwischen den Regierungen São Tomés und der USA unterzeichnet wurde, soll der Ministaat eine riesige US-Militärbasis erhalten. Der Pentagon bekäme damit vor der Küste Westafrikas eine mit der Luftwaffenbasis von Diego Garcia im Indischen Ozean vergleichbare Einrichtung. Diego Garcia spielte eine wichtige Rolle beim Afghanistankrieg und würde auch bei einem Irakkrieg wichtig sein.

São Tomés Präsident Fradique de Menezes bestätigte unlängst gegenüber der lokalen Zeitung Diario Tela, dass er mit US-Verantwortlichen Gespräche über einen Tiefseehafen auf seiner Hauptinsel geführt habe. Dort könnten US-Kriegsschiffe Station machen. General Carlont Fulford, Vizechefkommandant des US-Europakommandos (Eucom) in Stuttgart, besuchte São Tomé bereits im Juli. Das Eucom ist auch für Afrika zuständig.

Das US-Interesse in der Region beschränkt sich nicht auf den kleinen Inselstaat. US-Außenminister Colin Powell besuchte bei seiner Rückreise vom UN-Weltgipfel in Johannesburg Anfang September die Ölländer Angola und Gabun. Sein Afrika-Staatssekretär Walter Kansteiner hatte im Juli Nigeria und Angola bereist. Und am Rande der UN-Vollversammlung hielt US-Präsident George Bush Treffen mit den Präsidenten einer Reihe afrikanischer Ölstaaten ab: Gabun, Kongo-Brazzaville, Äquatorialguinea, Tschad, Kamerun und Demokratische Republik Kongo.

Das Erstarken des US-Interesses an Afrika wegen Öl geht auf die Terroranschläge des 11. September 2001 zurück. Anfang dieses Jahres setzte der Bush-nahe Think-Tank „Institute for Advanced Strategic and Political Studies“ eine „African Oil Policy Initiative Group“ (Aopig) ein. Dieser schlug vor, für Afrika eine ähnliche US-Kommandozentrale zu errichten wie Eucom für Europa – und zwar in São Tomé. Außerdem sollten die USA ihre militärische Zusammenarbeit mit der von Nigeria geführten „Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (Ecowas) ausbauen. US-Militärs bilden bereits die Armeen mehrerer westafrikanischer Länder aus, unter anderem auch Soldaten, die in Nigerias Ölfeldern stationiert sind. Diese Woche wurden von Eucom 200 US-Soldaten nach Ghana entsandt, um in der kriselnden Elfenbeinküste US-Amerikaner zu „sichern“.

Afrikas Öl, so die Studiengruppe Aopig, sei von „vitalem Interesse“ für die USA. Sie hat dem Afrikaausschuss des US-Repräsententantenhauses einen Bericht mit dem Titel „African Oil: A Priority for US National Security and African Development“ vorgelegt, der nun vom US-Außenministerium verbreitet wird. Der Präsident des Afrikaausschusses, der kalifornische Republikaner Ed Royce, begrüßt die Thesen der Studiengruppe: „Es ist ganz klar in unserem nationalen Interesse, unsere Energiequellen zu diversifizieren, besonders angesichts des turbulenten politischen Klimas in Schlüsselregionen der Welt“, sagte er bei einer Tagung. „Die Expansion der Energieförderung in Afrika entspricht diesem Interesse. Heute kommen über 15 Prozent unserer Ölimporte aus Afrika. Dieser Anteil wird sich in den kommenden Jahren erheblich erhöhen.“

Die US-Ölimporte aus Schwarzafrika sind laut Aopig bereits größer als die aus Saudi-Arabien. Bis 2003 dürften US-Konzerne zehn Milliarden Dollar in die afrikanische Ölförderung investieren – wichtigstes Projekt ist die Erschließung von Ölfeldern im Tschad und der Bau einer Pipeline an die Atlantikküste Kameruns, nicht weit von São Tomé. Nach Projektionen des US-Geheimdienstkomitees National Intelligence Council, die vom Londoner Informationsbrief „Southscan“ wiedergegeben wurden, soll der Golf von Guinea bis zum Jahr 2015 ein Viertel des US-Ölimportbedarfs decken.

São Tomé, der vergessene Archipel in der Mitte der Ölfelder, dürfte dadurch eine wichtige strategische Rolle zufallen. Sein Präsident Fradique de Menezes wurde im Juli 2001 explizit wegen seiner Versprechungen gewählt, den kleinen Inselstaat in ein Ölförderparadies zu verwandeln. FRANÇOIS MISSER