Börsendämmerung in Frankfurt

Die Analysten in Frankfurt weinen dem Neuen Markt und dem SMAX keine Träne nach. In Zukunft wird der Aktienhandel zweigeteilt: Prime Standard mit umfangreichen Vorschriften zur Transparenz und Domestic Standard für Zocker

aus Frankfurt am MainKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Im Segment Neuer Markt gibt es Unternehmen mit echtem Value.“ So betete noch gestern früh der Fondsmanager der renommierten Investmentgesellschaft Lupus alpha in Eschborn, Karl Frickel, den abgestürzten Nemax 50 und den gleichfalls maladen SMAX für kleinere Firmen gesund. Da tobe zwar ein Orkan; aber irgendwann werde sich der Sturm auch wieder legen, gab sich Frickel optimistisch.

Das war kurz vor Parketteröffnung. Kurz danach gab die Deutsche Börse AG dann bekannt, dass der Nemax und der SMAX bis spätestens Ende 2003 eliminiert würden; der gesamte Aktienmarkt werde bis dahin neu geordnet. So viel zur Weitsicht von Fondsmanagern.

Dabei war Analysten und Bankern längst klar, dass die Deutsche Börse AG der gigantischen Kapitalvernichtung am Neuen Markt nicht mehr länger tatenlos zusehen würde. Der Nemax 50 fiel schließlich in nur zwei Jahren von 9.600 auf nur noch 360 Punkte. Dass der Nemax 50 trotz der Ankündigung seiner baldigen Auflösung gestern knapp ein Prozent dazugewann, konnten sich auch erfahrene Händler nicht erklären. Das sei wohl „eine Art Trotzreaktion“ gewesen, meinte ein Broker. Andere kritisierten, niemand wisse, was mit den Nemax-Fonds passiere. Und viele fragten, ob die Neuordnung die Probleme löse oder nur eine „neue Verpackung“ sei.

Tränen werden die Börsianer weder dem Nemax noch dem SMAX hinterherweinen. Wer seine Aktien am Neuen Markt nicht rechtzeitig verkaufte, verlor schließlich fast alles. Und wer als Banker seinen Kunden die Fonds mit den Werten der New Economy empfahl, steht heute blamiert da. Einige Papiere wie etwa die von NSE Software oder von Mount 10 Holding sind nur noch einige Cent wert.

Und wie soll die neue Börse aussehen? Generell wird der gesamte Markt – wie von der taz schon gestern berichtet – geteilt: in zwei Segmente mit unterschiedlichen Transparenzkriterien. Spätestens ab 2003 wird es ein so genanntes Segment „Prime Standard“ mit hohen Anforderungen an die Transparenz des unternehmerischen Handelns und der Entscheidungen dort geben; und ein Segment „Domestic Standard“ nur mit den gesetzlichen Mindestanforderungen an die Transparenz. Innerhalb der Segmente werden die Unternehmen nach Größe sortiert. In den zukünftigen DAX und die ihm dann untergeordneten Indizes für mittelständische und kleinere Firmen werden nur noch Unternehmen aufgenommen, die alle Bedingungen der Prime-Standard-Klassifizierung erfüllen. „Wir sichern demnächst mit klaren Regeln höchste Transparenz und liefern eine konsistente Indexwelt zur Unterstützung der Anlegerentscheidung“, sagte dazu Volker Potthoff, Vorstandsmitglied der Börse AG. Das heißt wohl: Wer nur Domestic Standard bietet, gehört demnächst zur „Unterwelt“. Die muss es auch geben: für die Zocker unter den Anlegern, die volles Risiko gehen wollen.