Grüne wollen der Ehe ans Geld

Partei will bei Koalitionsverhandlungen Einschränkung des Ehegattensplittings zugunsten Kinderförderung durchsetzen. Größerer Niedriglohnsektor verlangt

BERLIN taz ■ Vor den am Montag beginnenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD positionieren sich die Grünen in der Familien-, Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Partei verlangt die teilweise Abschaffung des Ehegattensplittings. Zur Begründung hieß es, es gehe nicht mehr darum, die „Ehe als Familienform zu begünstigen, sondern das Leben mit Kindern“. Mit der teilweisen Aufhebung des Ehegattensplittings wollen die Grünen zusätzliche Finanzierungsquellen für weitere Erhöhungen des Kindergeldes sowie für eine Kindergrundsicherung aufspüren.

Derweil versuchten führende Grüne den Konflikt um die Ökosteuer tiefer zu hängen. Der umweltpolitische Sprecher Reinhard Loske hatte eine weitere Stufe der Steuer Anfang 2004 gefordert, SPD-Fraktionschef Franz Müntefering diesen Schritt gestern vehement abgelehnt. Die Ökosteuer sei nur „Teil eines Gesamtpakets“, hieß es darauf aus Grünen-Kreisen beschwichtigend. Die Ökosteuer soll nach bisherigen Planungen letztmalig zum 1. 1. 2003 erhöht werden.

Bei der Arbeitsmarktpolitik plädierte die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel, für die Ausweitung des Niedriglohnsektors auf sämtliche Branchen. Laut bisherigem Konsens zwischen SPD und Grünen sollen zusätzliche Minijobs nur bei den haushaltsnahen Dienstleistungen wie Putzen und Kinderbetreuung geschaffen werden. Scheels Vorstellungen sehen dagegen so aus: Die bisherige 325-Euro-Grenze wird auf 400 Euro erhöht. Bis zu diesem Betrag sollen geringfügig Beschäftigte nur rund 20 Prozent, also reduzierte, Beiträge zur Sozialversicherung zahlen. Anderenfalls, so das Argument Scheels, würden sich diese Jobs kaum lohnen. Während heute ab 326 Euro Monatsverdienst die vollen Sozialbeiträge von rund 40 Prozent fällig werden, will Scheel eine Übergangszone schaffen.

Diese Vorstellungen stehen nicht nur im Gegensatz zum Ergebnis der Hartz-Kommission, die Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Reform des Arbeitsmarktes eingesetzt hatte. Sie gehen auch über das hinaus, was SPD und Grüne zur Jahreswende 2001/2002 vereinbart hatten. Damals hatten sich die Sozialdemokraten lediglich damit einverstanden erklärt, die Minijobs zu „entbürokratisieren“.

Außerdem setzen sich führende Grüne dafür ein, die Zuständigkeiten des Wirtschaftsministeriums neu zu sortieren. Der Anspruch von Amtsinhaber Werner Müller (parteilos), die wirtschaftspolitische Grundsatzabteilung aus dem Finanzministerium zurückzubekommen, sei „berechtigt“, verlautete aus Kreisen der Partei. Unter Finanzminister Oskar Lafontaine war diese zentrale Abteilung dem Wirtschaftsministerium entzogen worden.

Manche Grüne stehen zudem der Idee positiv gegenüber, die Arbeitsmarktpolitik aus dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung auszugliedern, das zurzeit noch Walter Riester (SPD) verwaltet. Auch dieser Bereich könnte im Wirtschaftsministerium angesiedelt werden. Dies wäre im Übrigen eine logische Folge der Hartz-Kommission, deren Arbeit auf eine engere Verzahnung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik hinausläuft. Die Union hatte mit dem „Superministerium“, das Lothar Späth zugedacht war, eine ähnliche Idee gehabt. Auch der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeber (BDA) unterstützt eine derartige Neuordnung.

Der Hintergrund für die grüne Unterstützung des Wirtschaftsministers liegt in eigenen Begehrlichkeiten. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) möchte als Gegenleistung einige Kompetenzen aus der Wirtschaft zu sich holen. Dazu gehören die Zuständigkeiten für die Marktanreizprogramme und Fördermaßnahmen für die regenerativen Energieträger. Die Grünen wollen auch verhindern, dass moderne Gaskraftwerke in steuerlicher Hinsicht weiter „diskriminiert“ werden.

HANNES KOCH