Der beharrlich schleichende Tod

Etwa ein Drittel der etwa 20.000 Seehunde im deutschen Teil des Wattenmeeres sind bereits der Staupe erlegen. Und ein Ende der Epidemie ist nicht abzusehen. Vor 14 Jahren starben sogar 60 Prozent

2234 tote Seehunde wurden seit Ausbruch der Staupe-Epidemie im August bis gestern an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste geborgen, 155 im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer und 2930 im niedersächsischen Wattenmeer-Nationalpark. Im gesamten Wattenmeer einschließlich der Niederlande wurden etwa 7800 tote Seehunde gefunden. Der Seehundbestand im gesamten Wattenmeer lag vor Ausbruch der Seuche nach Angaben des Nationalparkamtes bei etwa 20.000 Tieren.

Die Staupe-Epidemie bringt auch ein Entsorgungsproblem mit sich. Im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer bergen Seehundjäger mit Unterstützung des NationalparkService, des Amtes für ländliche Räume, der Kurverwaltungen und des staatlichen Umweltamtes die Kadaver. In der Fleischmehlfabrik Jagel bei Schleswig werden die toten Tiere entsorgt. Das Fleischmehl wird verbrannt.

Auf Neuwerk, das zum Hamburger Nationalpark gehört, hat die Küstenschutzbehörde die Bergung der Kadaver übernommen und liefert sie an die Tierkörperverwertungsanstalt in Wanna bei Cuxhaven. In Niedersachsen sammeln ehrenamtliche Wattenaufseher die toten Robben ein. Sie werden in einer Tierkörperbeseitigungsanstalt verbrannt.

„Noch ist kein Rückgang der Totfunde zu beobachten“, berichtet Detlef Hansen vom Nationalparkamt. Seehundjäger Günter Jensen, der bereits das Seehundsterben von 1988 miterlebt hat, meint deshalb, es sei erst „die Spitze des Eisbergs“ erreicht: „Ich gehe davon aus, dass es mindestens genau so schlimm wird wie bei der letzten Seuche. Das Seehundsterben geht diesmal viel schleichender, aber auch beharrlicher voran als 1988. Damals dauerte es nur 100 Tage, dafür hatten wir zwei Wochen lang täglich über hundert tote Tiere allein am Strand von St. Peter-Ording.“

Vor 14 Jahren starben 60 Prozent des geschätzten Seehundbestandes. Die Population erholte sich jedoch schnell wieder, was nach der Meinung von Naturschützern auf die verstärkten Schutzmaßnahmen zurückzuführen ist, die nach dem Seehundsterben ergriffen wurden.

Für den Menschen geht keine Gesundheitsgefahr von den Seehundkadavern aus, solange er sie nicht berührt und darauf achtet, dass auch Hunde nicht mit den toten Seehunden in Kontakt kommen. sina clorius