So fit wie ein Turnschuh

Berlin ist die Stadt der Läufer. Nicht nur, wenn der Berlin-Marathon wieder Tausende in seinen Bann zieht. 30 Prozent der Berliner joggen mehr oder weniger regelmäßig, dabei sind immer mehr Frauen

von RICHARD ROTHER

Schweiß tropft von der Stirn, die Wangen sind leicht gerötet. Der junge Mann, der im Görlitzer Park in Kreuzberg Dehnübungen macht, ist an diesem schönen Herbstnachmittag fertig. Mit dem Joggen. Eine gute Dreiviertelstunde sei er gelaufen, sagt der 32-jährige Politologie-Doktorand. „Laufen entspannt, macht den Kopf frei.“ Nach der Bewegung an der frischen Luft werde er sich zu Hause wieder seiner Doktorarbeit widmen: „Fit wie Turnschuh.“

Der Kreuzberger Jogger liegt voll im Trend. Immer mehr Berliner laufen regelmäßig, sparen so teurere Eintrittspreise für Fitnessstudios oder Sporthallen. Jeder dritte Berliner joggt mehr oder weniger regelmäßig in seiner Freizeit. Das ergab eine aktuelle Forsa-Umfrage, die die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) in Auftrag gegeben hat. Besonders viele Jogger gibt es bei den unter 30-Jährigen, von denen jeder zweite gelegentlich oder regelmäßig die Laufschuhe anzieht. Aber auch die Gruppe der 30- bis 44-Jährigen ist mit 31 Prozent nocht gut vertreten. Mit zunehmendem Alter nimmt die Laufbereitschaft allerdings ab. Für 59 Prozent der Befragten kommt dieser Sport überhaupt nicht in Frage, besonders die über 45-jährigen sowie Menschen mit einem Hauptschulabschluss lehnen ihn ab.

Das Bedürfnis, in Bewegung zu bleiben, hat offenbar etwas mit dem Bildungsstand zu tun. 46 Prozent aller Berliner treiben gezielt Sport, um fit zu bleiben, vor allem die unter 30-Jährigen mit 65 Prozent sowie die formal Gebildeten. Nur sechs Prozent der Berliner machen gar nichts, um sich sportlich fit zu halten. Darunter sind vergleichsweise häufig die über 60-Jährigen mit elf Prozent sowie zu 15 Prozent Menschen mit niedrigem Schulabschluss.

Während es kaum Unterschiede bei der Laufbereitschaft zwischen Ost und West gibt, sind sie zwischen Frauen und Männern signifikant: 35 Prozent der Männer joggen, bei den Frauen sind es nur 25 Prozent. Und während 49 Prozent der Männer gezielt Sport treiben, sind es nur 44 Prozent der Frauen. „Gestresst von Beruf, Kindern oder beidem, rauchen viele Frauen, zusätzlich ernähren sie sich falsch und bewegen sich zu wenig“, heißt es bei der DAK. Unbemerkt bilden sich dadurch schon in jungen Jahren Ablagerungen in den Blutgefäßen, die den den Weg für einen Herzinfarkt bereiteten.

Die DAK hat deshalb ein Motivationsprogramm entwickelt, das vor allem für Frauen ab 30 geschrieben ist. Die Broschüre „Frauen starten durch“ mit Tipps für Bewegung und Training ist kostenlos in jeder Geschäftsstelle der Krankenkasse zu erhalten. Weil aller Anfang schwer ist, wird gemeinsames Bewegen mit einer Freundin oder Arbeitskollegin empfohlen.

Die DAK begrüßt die Berliner Entwicklung. „Laufen ist in Berlin zu einer großen Gesundheitsbewegung geworden, was wir ausdrücklich unterstützen“, sagt DAK-Sprecher Rüdiger Scharf. Immer mehr Berliner würden regelmäßig joggen: „Das sieht man schon, wenn man in einen Park geht.“ Einen Vergleich mit anderen Großstädten könne man aber nicht ziehen, so Scharf. Die Menschen seien aktiv, um sich wohl zu fühlen. Wichtig sei nicht, ob jemand 30 Minuten oder sieben Stunden in der Woche läuft. „Wichtig ist der erste Schritt und der Spaß. Alles andere kommt von selbst.“

Diese Erfahrung haben auch die ehrenamtlichen Trainer der „SFB-Laufbewegung“ gemacht, bei der sich jeden Samstag im Tiergarten überwiegend ältere Läuferinnen und Läufer treffen, um gemeinsam zu schwitzen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und kurzen Laufzeiten steigerten sich die Jogger und hätten Spaß dabei.

Der Jogger im Kreuzberger Görlitzer Park läuft auch mehr als noch vor einem halben Jahr. Mit Spaß hat das, trotz des schönen Herbstwetters, aber nicht nur zu tun. Eigentlich schwimme er lieber, weil das die Gelenke schone, sagt der Doktorand. „Nach den unverschämten Preiserhöhungen der Bäderbetriebe kann ich mir das bei meinem geringen Stipendium aber immer weniger leisten.“ Doch er zuckt mit den Achseln und macht auf einer kleinen Anhöhe im Park seine Dehnübungen weiter und schaut dabei leicht wehmütig in Richtung Spreewaldbad.