Noch immer keine Klarheit

Mietrecht: Die Unsicherheit bei den Kündigungsfristen für ältere Mietverträge ist noch nicht vom Tisch. Justizministerin lehnt Klarstellung ab. Der Bundesgerichtshof wird wohl das letzte Wort haben

Bei einem Mietverhältnis von mehr als zehn Jahren galt bis zum vergangenen September eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten, bevor man regulär aus dem Vertrag kam. Oder man musste sich mit Nachmietern, Untermietern und Vertragsauflösungen herumschlagen – für echte Flexibilität, beispielsweise beim Wechsel des Arbeitsplatzes, blieb da wenig Spielraum, für viele Mieter erwies sich dies als ernstes Problem.

Das ist jetzt anders. Für Mieter mit unbefristeten Verträgen gibt es seit der Mietrechtsreform eine einheitlich kurze Kündigungsfrist von drei Monaten. Auf die Wohndauer kommt es dabei nicht mehr an. Für Vermieter bleibt es bei gestaffelten Kündigungsfristen, wobei allerdings die zwölfmonatige Frist entfällt: Bis zu einer Wohndauer von fünf Jahren muss der Vermieter eine Kündigungsfrist von drei Monaten einhalten, bei einer Wohndauer ab fünf Jahren sind es sechs Monate, und ab acht Jahren neun Monate (BGB § 573c).

Diese asymmetrischen Fristen haben ihren Grund: Wer seine Wohnung wechselt, gibt seinen Lebensmittelpunkt in der Regel freiwillig auf, weil er einen neuen sucht oder bereits gefunden hat. Verliert ein Mieter – zumal nach langer Verwurzelung in seiner Wohngegend – seinen Lebensmittelpunkt hingegen unfreiwillig durch den Vermieter, soll er genügend Zeit haben, einen neuen zu finden. Diese Ansicht indes war im Zuge der Reformdebatten lange umstritten. Vermieterverbände fanden diese Regelung ungerecht und wehrten sich. Ohne Erfolg.

Die Fristen gelten – sofern nicht anders vereinbart – mit Sicherheit für alle Verträge, die seit dem 1. September 2001 geschlossen werden. Abweichungen davon zu Lasten des Mieters sind unwirksam. Doch gibt es bei älteren Verträgen erhebliche Unsicherheiten, die nun von Gerichten entschieden werden.

So hatte in einem Fall ein Mieter in einem Vertrag von 1991 vereinbart, dass die Kündigungsfrist – wie im alten Gesetz vorgesehen – drei Monate betragen solle, wenn seit der Überlassung des Wohnraums weniger als fünf Jahre vergangen sind. Diese Fristen verlängerten sich dann analog des damals geltenden Rechts. Im September 2001 kündigte der Mieter nach der neuen Regelung mit einer Frist von drei Monaten. Der Vermieter akzeptierte dies nicht, es kam zum Rechtsstreit. Ergebnis: Die Kündigung von September 2001 beendet das Mietverhältnis erst im September 2002, mithin nach Ablauf der (alten) gesetzlichen Frist von zwölf Monaten. Dies sei im Vertrag nun mal so vereinbart, entschied das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Az. 13 C 576/01).

In einem vergleichbaren Fall zeigte sich das Amtsgericht Charlottenburg aus Mietersicht ebenfalls unverständig. Auch hier war im Mietvertrag eine Regelung getroffen und der Gesetzestext umformuliert worden, was die Vertragsvereinbarung verständlicher machte als das Original. Nur: Damit wurde es zu einer individuellen Vereinbarung, meint der Richter. Aus der tatsächlichen Formulierung mochte er nicht schließen, dass beide die gesetzliche Regelung einfach übernehmen wollten – selbst wenn sie im Ergebnis auch hier genau dieselben Fristen zur Folge hat, wie es das alte Recht vorsah (Az. 203 C 539/01). Eine Klarstellung beinhaltet das Urteil gleichwohl. Demnach sei es dann gewollt, die gesetzlichen Kündigungsfristen zu vereinbaren, wenn es beispielsweise lediglich heiße, das Mietverhältnis könne „mit gesetzlicher Frist“ gekündigt werden. Und ist die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart, gilt dies auch dann, wenn sie sich – wie im September geschehen – ändert und danach eine andere Frist gilt. Also: Nur wenn die gesetzliche Kündigungsfrist ausdrücklich gewünscht wird, beträgt sie auch bei Altverträgen unabhängig von der Wohndauer drei Monate. Die Richter berufen sich dabei auf eine Übergangsvorschrift zur Reform, die sinngemäß besagt, die neuen Fristen seien nicht anzuwenden, wenn andere „vor dem 1. September 2001 durch Vertrag vereinbart“ wurden.

Diese Regel kennt natürlich auch das AG Hamburg – kommt aber in einem dortigen Fall zu einem völlig anderen Schluss: Die Wiedergabe der Fristen nach altem Recht im Formularmietvertrag, der vor der Mietrechtsreform vereinbart wurde, „schließt die Anwendung des neuen Rechts der Kündigungsfristen nicht aus“ (Az. 815 B C 22/01). Während die Berliner Richter – und manch andere auch – davon ausgehen, eine unumstößliche vertragliche Vereinbarung sei alles, was unterschrieben ist, orientieren sich die Hamburger an der Intention des Gesetzgebers: Die Neuregelung soll eben mehr Flexibilität und Mobilität für den Mieter bewirken – was nur erreicht werden kann, wenn sie auch auf Altverträge angewendet wird. Die Hamburger Richter sprachen einem Mieter nach zehnjähriger Wohndauer deshalb die dreimonatige Kündigungsfrist zu.

Es gibt zu diesem Sachverhalt also derzeit divergierende erstinstanzliche Entscheidungen, aber keine Rechtssicherheit. Die erste mögliche Klärung durch eine höhere Instanz scheiterte, nachdem sich die Streitenden in einem Fall des Amtsgerichts Steinfurt (Az. 4 C 613/01) vor der Berufung einigten.

Die Justizministerin Herta Däubler-Gmelin hatte eine Klarstellung abgelehnt. „Ich sehe keinen Anlass für gesetzgeberische Maßnahmen“, heißt es in einem Schreiben an den Deutschen Mieterbund. Sie sei „zuversichtlich, dass sich die vom Amtsgericht Hamburg vertretene Auffassung durchsetzen“ werde.

Dies ist nunmehr in zweiter Instanz – vorläufig – geschehen. Nach Lesart des Deutschen Mieterbundes habe das Landgericht Hamburg festgelegt, dass die Kündigung eines Mietverhältnisses mit dreimonatiger Frist „grundsätzlich auch für Altmietverhältnisse“ gelte. Die Richter hatten die Berufung zwar für zulässig erklärt, in der Sache jedoch zurückgewiesen. Man sehe „keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung“, heißt es zur Begründung. Die in dem Formularmietvertrag enthaltene Staffelung der Kündigungsfristen entsprächen inhaltlich zwar den alten BGB-Regelungen, seien damit gleichwohl nicht „durch Vertrag vereinbart“.

Beendet ist die Sache damit aber noch nicht. Diese für das Mietrecht essenzielle Rechtsfrage wurde zur letztinstanzlichen Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof zugelassen. Nach dem neuen Revisionsrecht ist dies durch die jüngste Änderung der Zivilprozessordnung auch für Mietrechtsprobleme möglich. ANDREAS LOHSE