„Wenn der Zentralrat der Juden hustet ...“

Die Ausstellung „Ich bin kein Antisemit“ im Jüdischen Museum Berlin zeigt ab heute antisemitische Zuschriften

Es gibt den ganz primitiven Antisemitismus, hässlich, altbekannt: „Du scheinst dich in Deutschland doch ganz wohl zu fühlen; wo sonst kannst du so polemisch und volksverhetzend deine verschrobene Meinung verbreiten!? Womöglich beziehst du auch noch Sozialhilfe?“

Anwürfe dieser Art erhält der Spiegel-Redakteur und Publizist Henryk M. Broder in Briefen nicht selten. Was aber im Laufe der Möllemann-Karsli-Affäre im Frühjahr geschah, hatte nach Auskunft des Broders eine „neue Qualität“: Schon lange kommen die Beschimpfungen nicht mehr anonym. Neu aber ist die Form der antisemitischen Angriffe: Als „fürsorgliche Stellungnahme“, die vorgibt, man sei ja kein Antisemit, müsse aber doch wohl die Juden vor sich selber warnen. Was sich dann so anhört: „Wenn der Zentralrat der Juden hustet, machen sich die Deutschen in die Hosen. Warum eigentlich? Nur weil vor 60 Jahren ein Psychopath total verrückt spielte?“, heißt es von einer Dame, die ihren Brief von 22 weiteren Personen hat unterschreiben lassen: „Die Juden erweisen sich selber einen Bärendienst, wenn sie berechtigte Kritik an Einzelnen immer gleich voll als Antisemitismus beklagen.“

Eine kleine Ausstellung im Jüdischen Museum zu Berlin zeigt seit heute für drei Monate Briefe und E-Mails dieser Art, die Broder und die Jüdische Allgemeine im Laufe der Antisemitismusdebatte nach den Äußerungen des damaligen Vizechefs der Bundes-FDP, Jürgen Möllemann, erhalten haben. Aus 350 Briefen wurden für die Schau „Ich bin kein Antisemit“ rund 50 ausgewählt, die nun in einem Teil der ständigen Ausstellung des Museums zu sehen sind. Aufgehängt sind die Zuschriften, vergrößert und nicht anonymisiert, mit Wäscheklammern an einer Leine – als seien sie zu eklig, um sie mit Fingern anzufassen.

Und das Clevere dabei: Neben der „schmutzigen“ Wäsche hängt gleichberechtigt die „saubere“ – in Form von Zuschriften, die den kaum versteckten Antisemitismus der Äußerungen Möllemanns aufdecken. Das zwingt zum Nachdenken. Auch über die scheinbare Objektivität, die Antisemiten heutzutage vorgaukeln. Am besten decouvriert, so sieht es die Vizechefin des Museums Cilly Kugelmann, habe dies das Satiremagazin Titanic. Mit ihrem genialen Titel zur Möllemann-Karsli-Affäre: „Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?“

PHILIPP GESSLER