Ring frei zur Sparrunde

Senat vs. Gewerkschaften: Nach einem halben Jahr Vorgeplänkel gehen die Verhandlungen über den Solidarpakt in die entscheidende Phase. Senat will Personalkosten im öffentlichen Dienst reduzieren

von RICHARD ROTHER

Eine Woche nach den Bundestagswahlen wird es für den rot-roten Senat ernst: die Verhandlungen zum so genannten Solidarpakt, der Millioneneinsparungen im öffentlichen Dienst bringen soll, gehen ab heute in die entscheidende Runde. Schließlich ist bei den nun schon ein halbes Jahr andauernden Gesprächen zwischen dem Senat und den Gewerkschaften noch nicht viel herausgekommen – außer dass mehrere Arbeitsgruppen gebildet wurden, die heute ihre Berichte vorlegen. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat denn auch schon Druck gemacht: Sollten die Solidarpaktverhandlungen mit den Gewerkschaften nicht den gewünschten Erfolg bringen, erwägt der Finanzsenator einseitige Maßnahmen: etwa einen Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst zu verhängen, die Arbeitszeiten für Beamte zu verlängern oder außertarifliche Leistungen zu streichen.

Die Gewerkschaften sind davon naturgemäß wenig begeistert. Sie lehnen auch den Vorschlag einer 35-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich ab, der in der vergangenen Woche ins Spiel gebracht wurde. Sollte sich ein Großteil der Beschäftigten darauf einlassen, ließen sich hier jährlich bis zu 500 Millionen Euro bei den Personalkosten einsparen. Das wäre die halbe Miete des so genannten Solidarpaktes, mit dem der Senat die jährlichen Personalausgaben, die mit rund 7,2 Milliarden Euro die gesamten Steuereinnahmen des wirtschaftsschwachen Landes verbrauchen, um eine Milliarde Euro drücken will. Ein Hälfte dieser Einsparsumme soll durch Personalabbau, die andere Hälfte durch De-facto-Lohnkürzungen bei den Beschäftigten aufgebracht werden.

Mögliche Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleiche finden in diesem Zusammenhang sogar die Gewerkschaften „interessant“. Dies dürfe allerdings nur individuell und auf freiwilliger Basis geschehen, fordert Ver.di-Landeschefin Susanne Stumpenhusen. Die Arbeitszeiten seien bundesweit tarifvertraglich geregelt, Änderungen seien nur über eine Öffnungsklausel für Berlin möglich, der die Bundesspitze der Gewerkschaft jedoch nicht zustimmen werde. Sollte das Beispiel Berlin Schule machen, befürchtet die Gewerkschaft einen Dominoeffekt – auch andere finanzschwache Bundesländer könnten für ihre Bediensteten mit dem Hinweis auf Berlin Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich einfordern.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat gestern in einem Zeitungsinterview eine mögliche Kompromisslinie angedeutet. In den Arbeitsgruppen ist laut Körting über Modelle gesprochen worden, auf künftige Lohnerhöhungen zu verzichten und dafür die Arbeitszeit zu verkürzen. Körting: „Das hätte den Charme, dass keiner netto weniger hätte.“

Als Gegenleistung für nominell gleich bleibende Einkommen bietet Körting den Gewerkschaften den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen an, droht aber, dass über den bereits beschlossenen Abbau von 12.000 Stellen bis 2006 noch einmal die gleiche Zahl zur Disposition stehe, wenn die Sparziele verfehlt würden. Dies ginge nur durch betriebsbedingte Kündigungen, die die Politik nicht wolle. Körting: „Die Gewerkschaften müssen sich genau überlegen, ob sie uns zu Maßnahmen zwingen, die wir alle nicht wollen.“

Von dieser Drohung dürften die Gewerkschaften nicht begeistert sein – fordern sie doch einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis 2010. Nicht nur für den rot-roten Senat, auch für die rund 140.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wirdder letzte Septembertag einer der spannendsten des Monats.