nebensachen aus algier
: Sprachliche Kreativität

In Algerien werden babylonische Verhältnisse gepflegt

Für viele in Algerien ist es die Nachricht des Monats. Das französische Wörterbuch Larousse – nach dem der Sprachakademie das prestigeträchtigste – nimmt ein algerisches Wort auf: „trabendo“, was so viel bedeutet wie Schwarzmarkt, wird künftig zwischen urfranzösischen Vokabeln wie „toxique“ (giftig) und „trac“ (Lampenfieber) stehen. Das Wort stammt aus der Gegend von Oran und wird mittlerweile in ganz Algerien und auch in Frankreich benutzt. Ursprünglich kommt die Vokabel aus dem Spanischen, wo „contrabando“ den Schmuggel bezeichnet. Ein Wort, das es kurioserweise im Französischen mit „contrebande“ auch gibt. Jetzt ist es also zweimal im Lexikon.

Warum die Wahl der ehemaligen Kolonialherren ausgerechnet auf „trabendo“ fiel, weiß in Algerien keiner so recht zu sagen. Gäbe es doch viele Vokabeln, die es verdient hätten, den Sprung ins Wörterbuch zu schaffen. Die meisten Algerier sind zweisprachig. Doch am liebsten verständigen sie sich mit einer Mischung aus Arabisch und Französisch. Das Ganze ist mit Vokabeln aus dem Türkischen und der Berbersprache angereichert. Dies bringt den Algeriern bei ihren Nachbarn im Maghreb den Ruf ein, keine Sprache richtig zu beherrschen. Die Algerier stört dies nicht. Sie sind stolz auf ihre sprachliche Kreativität und sie pflegen sie.

Da werden den Ausnahmen die Regeln aufgezwungen: Aus dem „chauffeur du taxi“ wird ein „taxieur“. Schließlich heißt es ja auch „camionneur“ und nicht etwa „chauffeur de camion“. Und wo neue Verhältnisse nach neuen Wörtern verlangen, besinnen sich die Algerier ebenfalls auf französische Regeln und erfinden kurzerhand Partizipien oder Substantive: Wer zum Beispiel eine Parabolantenne auf dem Dach hat – kein Land hat so viele Schüsseln wie Algerien – der ist „parabolisé“. Und wer über eine Kalaschnikow oder „klash“ verfügt – leider ist Algerien auch hier Spitzenreiter – der ist „klashé“.

Und wie lässt sich ein arbeitsloser Jugendlicher bezeichnen, der den ganzen Tag an eine Mauer gelehnt das Treiben auf der Straße verfolgt? Ganz einfach: Er ist „hittiste“. „Hit“ ist arabisch und heißt Mauer. Der gleichen Regel folgend ist ein „fissiste“ ein Anhänger der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS). Und ein „flniste“ hält es mit der ehemaligen Einheitspartei FLN. Wer ganz einfach immer dessen Lied singt, dessen Brot er isst, der heißt im französischen Französisch „opportuniste“, im algerischen Französisch jedoch „khobziste“. Das kommt vom arabischen Wort für Brot. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. So ist ein Bärtiger – „barbu“ – heutzutage ein Islamist. Die kleinen Läden, die oft in Garagen eingerichtet sind, lassen sich nur schwer als „supermarché“ bezeichnen. Deshalb werden sie kurzerhand mit der etwas seltsam anmutenden Verkleinerungsform „superette“ bedacht. Gerade dort werden oft Produkte verkauft, die gefälscht beziehungsweise nachgemacht sind, also „piraté“. Da unechte Markenklamotten häufig aus dem Fernen Osten kommen, kann das Wort „Taiwan“ mittlerweile als synonym für „faux“ (falsch) eingesetzt werden.

Natürlich haben auch französische Wörter Einzug gehalten. Sie werden ganz einfach der Grammatik angepasst. Aus einem Verb oder Substantiv wird so eine arabische Vokabel.

REINER WANDLER