Weises Walross will bleiben

Team-Captain Sam Torrance, der Europas Rydercup-Golfer das Siegen lehrte, ist ein Glücksfall von Persönlichkeit und der perfekte Mann für den Job. Aber vielleicht bald schon außer Amt und Würden

aus Birmingham BERND MÜLLENDER

Später am Sonntagabend saßen sie alle noch einmal im Medienzelt, lachend, albernd, das Getränk ihrer Wahl in der Hand: Lee Westwood rotgesichtig das Flaschbier, Jesper Parnevik ein Glas Champagner, Captain Sam Torrance ebenfalls Schampus (direkt aus der Flasche) und Bernhard Langer Mineralwasser. „Das war der stolzeste Tag meines Lebens“, sagte Torrance. Bevor es zu pathetisch klang, setzte er nach: „Außer meiner Heirat und der Geburt meiner Kinder natürlich.“ Und, sprach er spaßend, hier sind, links und rechts von mir, die Underdogs des Weltgolf: „Aus den Schatten kamen sie und wurden zu Helden.“ Er, der Kapitän, habe sie „ins Wasser geschmissen und sie haben ausgiebige Mengen geschluckt“.

Der Schotte Sam Torrance (49), selbst längjähriger Rydercup-Spieler, Arbeiterkind aus ärmlichen Verhältnissen, könnte auch ein Walross abgeben. Gern hockt er am Rande des Grüns, halb seitlich hingewälzt, relaxt und wach zugleich, und der mächtige Schnäuz füllt allen Raum unterhalb der Nase. Niemand, heißt es unter Golfkollegen, habe „seit Jahren seine Oberlippe gesehen“.

Seine Kaskade von Scherzen würden ihn auch zum Comedian einer Vorortgruppe seines Heimatstädtchens Largs im schottischen Irgendwo qualifieren. Die Times nannte ihn mal den „alten Softie“, gleichzeitig könnte er auch als Chauvi durchgehen. Als mitten in seiner ersten Nacht in Birmingham vergangenen Montag die Erde wackelte, hatten viele im Reflex an den 11. September gedacht. Torrance nicht: „Ich wusste nicht, ob die Erde bebt oder sich vielleicht meine Frau auf mir bewegt.“

Torrance hat immer ein Bonmot auf den versteckten Lippen, er liebt das Matchplayhafte Duell mit Worten, Pressekonferenzen geraten zu Spaßevents. Im Team ist er unanfochtene Autorität und fürsorglicher Papa zugleich. Kein Spieler, der ihn nicht hingerissen loben würde. Es heißt, wenn jemand eine Schulter braucht, um sich auszuheulen, Sam ist schon da. Wenn eine knifflige Entscheidung ansteht, zögert er keinen Moment. Wenn sie falsch war, wird es ihm niemand vorwerfen – er hat es wenigstens versucht.

Der gütige Boss mit den lustigen dunklen Äuglein war die Idealbesetzung, um die zwölf Golf- Individualisten aus neun Ländern zum sieggeilen Team zusammenzuschweißen. Wahrscheilich ist des Schotten Wesen und Aura viel entscheidender für den großen Triumph gewesen als die mutige, aber überschätzte Taktik des letzten Tages, seine besten Spieler gleich am Anfang auf die Fairways zu schicken. Das klappte bestens, der Sieg lag aber auch am Versagen von Mickelson und Woods. Und dass gerade Europas vermeintliche zweite Reihe um die vier Skandinavier und den Waliser Phil Price plötzlich mit Selbstbewusstsein gedopt durchstartete. Keiner der vier europäischen Debütanten verlor sein Einzelmatch.

Torrance, dieser Glücksfall von Persönlichkeit, müsste „den schönsten Job der Welt“ (Torrance) auf Lebenszeit machen. Sollte man meinen – aber es gibt in der europäischen Golfunion eine Absprache, dass alle zwei Jahre ein anderer den Headcoach gibt. Im Gespräch als Kronprinzen ist neben dem Engländer Nick Faldo auch Bernhard Langer. Langer (45) aber hat brillant gespielt, gemeinsam mit dem zweiten golfenden Euro-Opa Montgomerie (39) allein 5,5 der 15,5 Punkte geholt. Torrance lobt des Deutschen „unverzichtbare Erfahrung“: Der Routinier habe „alle nach vorn gepusht, wenn es nötig war. Einfach fantastisch.“

Bei Torrances Lob mag auch hintergründiger Eigennutz mitspielen. Langer als Team-Captain 2004 kann man sich beim freundlichen, aber charismaarmen Deutschen wenig vorstellen. Solange indes er am Schläger unverzichtbar ist, wird er auch in zwei Jahren noch spielen („dafür werde ich alles tun“) und dann Weltrydercuprekordspieler sein mit elf Teilnahmen. Und Torrance, das Walross, könnte während der Matches weiter am Grünrand liegen und die Bärenpranke ballen.

Im Freudenhaus von The De Vere Belfry war das noch Zukunftsmusik. Da gab Torrance auf dem Podium noch eine kleine Gesangseinlage, und ein letztes Mal galt es süffisant nachzukarten Richtung 1999, als besonders Colin Montgomerie von den aufgepeitschten und alkoholisierten US-Golfhools andauernd angepöbelt worden war und sein Vater sogar angeblich geschlagen, jedenfalls mit einem Nervenzusammenbruch den Platz in Brookline verlassen musste. Also sprach the mighty Monty spitzfindig: „Ich denke, es war wichtig für die Amerikaner hier zu lernen, wie populär ich in England bin.“ In das dröhnende Gelächter drangen von draußen die lauten Gesänge der allmählich angetrunkenen Fantausendschaften, die die Sporthymne aller Sporthymnen gaben. Es klang wie „You never putt alone“.