SERBIEN: GELBE KARTE FÜR DIE TECHNOKRATEN
: Die Wähler wollten nicht verstehen

Es ist schon erstaunlich, dass in einem Transitionsland ausgerechnet der Finanzminister einer der beliebtesten Politiker ist. In Serbien hat es der junge Bozidar Djelić binnen zwei Jahren geschafft, die rasende Inflation zu bekämpfen, den Devisenschwarzmarkt auszulöschen, den jugoslawischen Dinar zu stabilisieren und gar konvertibel zu machen. Renten und Gehälter sind zwar niedrig, doch sie werden pünktlich ausgezahlt. An die peinigenden Schlangen vor serbischen Banken oder an Hamsterkäufe kann sich kaum noch jemand erinnern. Nach einem Jahrzehnt internationaler Isolation und Wirtschaftssanktionen nimmt Serbien die Konturen eines zivilisierten Landes an. Das wissen vor allem die jungen Menschen und die urbane Bevölkerung zu schätzen.

Moderne, prowestlich orientierte Technokraten wie Djelić sind das Markenzeichen des Präsidentschaftskandidaten Miroljub Labus. Ob der Notenbankgouverneur oder der Privatisierungsminister: Die Experten tun, was sie für notwendig halten, kümmern sich wenig um politische Folgen und hoffen darauf, dass die verarmten Bürger Serbiens die Dringlichkeit der unpopulären Maßnahmen in dem wirtschaftlich ruinierten Land verstehen.

Aber den ersten Wahlgang hat Labus verloren, und auch für den zweiten sieht es schlecht aus. Zwei Drittel der Not leidenden Bürger Serbiens haben nicht viel Verständnis für die harten Maßnahmen der Reformregierung. Labus, Djelić & Co. konnten sich gegen die demagogischen sozialen Parolen ihrer Kontrahenten nicht durchsetzen. Die serbischen Wähler haben ihren Technokraten die gelbe Karte gezeigt.

Was tun? Wenn die Reformregierung nachgibt, riskiert sie die Früchte ihrer Arbeit. Wenn nicht, nutzen die nationalistischen Kräfte die soziale Not für sich aus. Im Endeffekt hat Serbien nur dann eine Chance, wenn sich die zwei Kandidaten Vojislav Koštunica und Labus versöhnen und gemeinsam im Interesse des Staates handeln. Das ist so unrealistisch nicht: wenn Koštunica die Präsidentschaft gewinnt und Labus später den jetztigen Regierungschef Djinjić beerbt. ANDREJ IVANJI