GRÜNE FRAKTIONSSPITZE: NIEMAND PASST BESSER ALS REINHARD LOSKE
: Ökologie statt Gehorsam

Wer wird die Bundestagsfraktion der Bündnisgrünen durch die nächste Legislaturperiode führen? Die Bewerber drängeln sich, und die Abgeordneten haben am 15. Oktober die freie Wahl: entweder das von der Parteispitze geschnürte Paket der femininen Doppelspitze mit Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt abnicken und damit – jawoll, Herr Kuhn, jawoll, Herr Fischer! – die Hacken gehorsam zusammenschlagen. Oder mit Reinhard Loske und Werner Schulz eine eigenständige Fraktionsspitze wählen. Natürlich sind auch Mischformen von Männlein und Weiblein möglich: Ein Duo Sager & Loske etwa wäre als Kompromiss zwischen den Vorgaben der Parteispitze und dem Wunsch der Fraktion nach Eigenständigkeit möglich.

Doch es geht bei dieser Entscheidung nicht darum, ob die Fraktion eine Selbstbehauptungsneurose gegen Papa Joschka auslebt. Es geht auch nicht um den Geschlechterkampf, um Wessi-Ossi-Paritäten und ähnlichen Unfug. Vielleicht geht es dieses eine Mal ja wirklich um Kompetenz. Um die Identität der Partei. Fakt ist: Es gibt in der gesamten Führungsspitze der Grünen Partei derzeit keinen einzigen Ökologen. Auch Jürgen Trittin, das hat man fast vergessen, ist nur ein „Angelernter“. Einen authentisch grünen Grünen, der das große Thema der Partei mit seiner Biografie inhaltlich und emotional fest verankert hat, sucht man vergeblich.

Jetzt steht mit Reinhard Loske einer auf der Kandidatenliste: Loske ist, man wagt es kaum zu sagen, Experte für Klima-, Energie- und Verkehrspolitik. So viel echtes Grün auf einmal. Erschwerend kommt hinzu, dass er sich intensiv in die Bildungspolitik eingefuchst hat. Er ist, und das scheint inzwischen eher ein Straftatbestand zu sein, ein Fachmann für das ökologische Thema. Brauchen die Grünen so einen? Die Frage ist eher: Wollen sie so einen? Oder fürchten sie, dass ein solcher Kandidat das reibungslose Funktionieren der Koalitionsmaschine stören könnte?

Die Wahl der grünen Fraktionsspitze ist eine Richtungswahl. Ökologie nach vorn oder doch nur ein glattes Fraktionsmanagement, das sich darauf konzentriert, der Parteispitze den Rücken freizuhalten? Wir sind gespannt. MANFRED KRIENER

Der Autor war bis 1990 elf Jahre lang taz-Umweltredakteur.