„Mehr Schulden wären Wahnsinn“

Rot-Grün will Steuervergünstigungen kürzen, berichtet Grünen-Politikerin Christine Scheel über die Verhandlungen

taz: Gestern Abend hat Ihnen Bundesfinanzminister Hans Eichel eröffnet, dass im Bundeshaushalt 2003 10 Milliarden Euro fehlen. Sind Sie einverstanden damit, dass SPD und Grüne dieses Loch ausschließlich mit verborgenen Steuererhöhungen schließen – was dann offiziell „Abbau von Subventionen“ genannt wird?

Christine Scheel: Wir müssen das, was alle seit Jahren fordern, jetzt auch wirklich mal tun. Das seit Jahrzehnten gewachsene System der Steuernachlässe und Subventionen ist nicht mehr zeitgemäss. Wir wollen nicht mehr Schulden machen – die Zinsen belasten doch nur unsere Kinder.

Schließen Sie kategorisch aus, dass zusätzliche Kredite aufgenommen werden?

Ich gehe davon aus, dass auch Hans Eichel und der Bundeskanzler diese Position vertreten.

Also null zusätzliche Schulden über die 15,5 Milliarden Euro hinaus, die für das Jahr 2003 geplant sind?

Über den gegenwärtigen Stand hinauszugehen, wäre finanzpolitischer Wahnsinn. Ob wir unser Ziel punktgenau erreichen, hängt auch von der Konjunktur und der Weltwirtschaft ab. Trotzdem muss die Linie klar sein: Sie heißt „Sparen und gestalten“. Denn wir wollen ja auch investieren, in Bildung zum Beispiel – aber dieses Geld müssen wir irgendwo anders einsparen.

Hoffen Sie nur, dass Hans Eichel und Kanzler Gerhard Schröder Ihre Position teilen, oder wissen Sie es?

Ich hoffe es, denn wir hatten ja am Wochenende diese eigenartige Debatte um Steuererhöhungen aus den SPD-regierten Ländern.

Daran waren Sie selbst nicht unbeteiligt. Die Idee der neuen Mindeststeuer für Unternehmen stammt von Ihnen.

Wenn ein Unternehmen in Deutschland Gewinne macht, sollte es allerdings dazu beitragen, unsere Infrastruktur mitzufinanzieren. Deshalb wollen wir auch, dass künftig Gewerbesteuer auf den Verkauf von Konzernbeteiligungen erhoben wird.

Welche Subventionen sollen denn nun weg, was wurde gestern Abend besprochen?

In der Verhandlung haben wir nur die ganz grobe Linie festgelegt. Es geht um die großen Brocken.

Fällt auch das Ehegattensplitting?

Wir sind der Auffassung, dass das eine Steuersubvention ist, die man einschränken sollte. Nur Paare mit höheren Einkommen werden Einbußen erleiden. Das ist überfällig.

Der Neubau von Einfamilienhäusern kostet Eichel Milliarden. Wollen Sie an die Eigenheimzulage ran?

Auch das ist eine strukturelle Veränderung, die sinnvoll ist. Die Einzelheiten besprechen wir in den kommenden Tagen in Arbeitsgruppen.

Steuererhöhungen und Streichen von Subventionen laufen darauf hinaus, dass Unternehmen und Privatleute weniger Geld zur Verfügung haben. Das ist schlecht angesichts der lahmen Konjunktur.

Nein, wer heute Schulden macht, muss morgen die Steuern erhöhen, um die Zinsen zu bezahlen. Das gefährdet die Wirtschaft in der Tat. INTERVIEW: HANNES KOCH