„An Gregor Gysi haben wir kein Interesse“

Der Grünen-Politiker Werner Schulz über den Kampf seiner Partei um die Wählerschaft der PDS – nicht um deren Promis

taz: Herr Schulz, die Grünen sind ein reiner Westverein. Erklären Sie mal, warum ausgerechnet Ihre Partei in die Lücke stoßen soll, die die PDS hinterlassen hat.

Werner Schulz: Wir sind realistisch. Natürlich machen die Grünen eine Milieupartei wie die PDS nicht überflüssig. Und natürlich hat die SPD im Kampf gegen die PDS im Osten ein größeres Potenzial als wir. Aber die Grünen haben bei der Bundestagswahl im Osten fast fünf Prozent der Stimmen gewonnen. Wir haben damit die einmalige Möglichkeit, der PDS ihre Wähler abzuja- gen.

Und wie, bitte schön?

Die PDS sitzt nur noch mit zwei Frauen im Bundestag. Und wir haben als Bündnisgrüne jetzt eine erneute Chance. Wir werden in den kommenden vier Jahren beweisen, dass unsere Partei für einen modernen Aufbau Ost und für eine ökologisch-soziale Reformpolitik steht. Wir müssen das Argument, dass nur mit der PDS der Osten im Bundestag vertreten ist, endgültig widerlegen.

Und schon wählen die alten Genossen die hedonistischen Grünen?

Natürlich nicht. Aber wir wollen ein Zeichen setzen: Die Grünen sind offen für PDS-Sympathisanten, die glauben, dass sie zu unserer Partei passen.

Gregor Gysi tritt jetzt bei den Grünen ein? Das glauben Sie doch nicht im Ernst.

Bei unserem Angebot geht es nicht um den schnellen Übertritt irgendwelcher PDS-Promis. Dass Leute wie Gregor Gysi oder Petra Pau nicht zu uns kommen, ist mir auch klar. An denen haben wir auch gar kein Interesse. Mit dieser Promi-Nummer ist ja schon die CDU im Osten gescheitert, als sie ehemalige Bürgerrechtler wie Günter Nooke und Vera Wollenberger von den Grünen abgeworben hat. Was ist denn davon geblieben? Nichts.

Worum geht es Ihnen dann?

Wir sollten auf jüngere PDS-Wähler zugehen, auch auf jüngere PDS-Politiker wie Angela Marquardt oder Sandra Brunner. Denen bieten wir einen Dialog an. Sandra Brunner ist Studentin, 27 Jahre alt. Auch wenn ich in meinem Wahlkreis Berlin-Pankow gegen sie gekämpft habe, so habe ich ihre Art des Wahlkampfes doch mit Sympathie beobachtet. Die Frau ist frisch, frei und frech. Das gefällt mir.

Sie ist nur in der falschen Partei, oder wie?

Sie ist auf jeden Fall interessant. Auch wenn die Wahl jetzt vorbei ist – ich möchte mit Sandra Brunner demnächst in meinem Grünen Salon in Berlin-Pankow diskutieren: Was stört sie an den Grünen, was gefällt ihr an ihnen? Wie sollte Ostdeutschland politisch vertreten werden? Wie geht es jetzt mit der PDS weiter?

Was soll das bringen?

Über solche Veranstaltungen mit jungen Leuten kommen wir an ein politisches Milieu heran, das bislang mit der PDS sympathisiert hat. Vor kurzem zum Beispiel haben die Grünen in Berlin einen Ostkongress veranstaltet. Da lasen zum ersten Mal Kultautoren der Literaturszene vom Prenzlauer Berg: Jakob Hein, Wladimir Kaminer, Ahne. So etwas sind wichtige kulturelle Durchbrüche. Im Osten wächst eine junge Generation heran, die mit den Grünen nicht mehr die alten Achtundsechziger identifiziert.

Aber die PDS hat in Ostberlin immer noch dreimal so viele Wähler wie die Grünen.

Mit meinem auf junge Leute zugeschnittenen Wahlkampf haben die Grünen in Pankow 16,1Prozent gewonnen – das war unser bestes Ergebnis in ganz Ostdeutschland. Wir haben verhindert, dass Sandra Brunner hier für die PDS das entscheidende dritte Direktmandat holen konnte.

Die Grünen haben damit bewiesen, dass sie mit moderner, ökologisch-sozialer Politik junge Leute in Ost und West gewinnen können. Eine solche, von jungen Leuten getragene neue Kultur entsteht auch in anderen ostdeutschen Großstädten, insbesondere an Hochschulstandorten. Die Aktivitäten der Grünen im Osten müssen sich darauf konzentrieren. Wir müssen mit unserer Politik die regionale Entwicklung Ostdeutschlands fördern und gerade bei jungen Leuten damit die Lust wecken, in ihren Heimatorten zu bleiben und nicht weiter abzuwandern.

Die Grünen haben auch immer wieder bewiesen, dass Ostdeutsche in der Partei nichts zu sagen haben.

Dieses Repräsentationsdefizit hat der PDS über Jahre hinweg genützt, das ist richtig. Das müssen wir ändern. Wir müssen jetzt deutliche Signale Richtung Osten setzen. Inhaltlich und personell.INTERVIEW: JENS KÖNIG