Neudeutsche verwirren Schily

Bundesverwaltungsgericht muss entscheiden, ob Verbot des Al-Aqsa e.V. rechtmäßig war. Der Verein behauptet, dass die Mitglieder deutsche Staatsangehörige sind

FREIBURG taz ■ Seit Januar können Ausländervereine in Deutschland leichter verboten werden – dank dem zweiten Antiterrorpaket. Doch die Sache ist komplizierter, als sie sich Innenminister Otto Schily (SPD) wohl vorgestellt hat. Denn viele Mitglieder umstrittener Vereine haben sich inzwischen einbürgern lassen und gelten jetzt als Deutsche.

Paradefall ist der in Aachen ansässige Spendensammelverein Al-Aqsa e.V., den Schily Anfang August verbieten ließ. Vereinsanwalt Christian Paschen hat inzwischen gegen das Verbot geklagt – mit dem Hinweis, dass der Al-Aqsa e.V. gar kein Ausländerverein sei. „Die Mehrzahl der Mitglieder sind eingebürgerte Deutsche, und der Vorstand besteht aus einem Jordanier, einem Belgier und einem Deutschen“, erläutert Paschen.

Da EU-Ausländer den Deutschen gleichgestellt sind, sieht es so aus, als ob Paschen Recht hat. Verwirrend für das Innenministerium war wohl, dass der Al-Aqsa e.V. im Vereinsregister als Ausländerverein eingetragen war. Vorgeworfen wird dem Verein unter anderem, er habe durch Spenden die palästinensische Terrororganisation Hamas unterstützt.

Anwalt Paschen bestreitet dies zwar („das Geld ging an karitative Einrichtungen, die nicht erkennbar zu Hamas gehören“), weist aber auch darauf hin, dass dieser Vorwurf bei einem „Deutschen-Verein“ nicht zum Verbot führen könnte. Auch das Innenministerium erklärte, das Al-Aqsa-Verbot sei der erste Anwendungsfall der neuen Verbotsgründe. Zu diesen zählt auch die Unterstützung von Vereinigungen „innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen“.

Allerdings gibt es auch Vorwürfe gegen Al-Aqsa, die sogar für das Verbot eines „Deutschen-Vereins“ genügen würden. So glaubt das Ministerium, dass sich der Verein gegen den „Gedanken der Völkerverständigung“ richtet, weil auch Geld für „Märtyrerfamilien“ in Palästina gesammelt wurde und man so Attentate befürwortet habe. Paschen bestreitet auch dies. Die Zahlung an die Familien von Attentätern sei gezielt ausgeschlossen worden. Als „Märtyrer“ gälten jedoch auch Familien, deren Häuser von Israel aus anderen Gründen zerstört wurden.

Möglicherweise wird sich das Bundesverwaltungsgericht, das die Klage in erster und letzter Instanz entscheidet, gar nicht auf diese Details einlassen. Es könnte nämlich das Verbot wegen der falschen Einstufung als Ausländerverein einfach aufheben und vom Innenministerium eine neue Ermessensentscheidung verlangen.

Der Status vermeintlicher Ausländervereine wird die Leipziger Richter auch in anderen Fällen noch beschäftigen. Auch einige der von Schily verbotenen Teilorganisationen des Kalifatstaates haben beim Bundesverwaltungsgericht argumentiert, sie hätten überwiegend deutsche Mitglieder. Ihre Chancen sind aber weniger gut, weil der Kalifatstaat selbst eindeutig von einem Ausländer, dem Türken Metin Kaplan, geprägt wird.

CHRISTIAN RATH