Entführter Junge wurde ermordet

Der vergangene Woche entführte Jakob von Metzler ist wahrscheinlich schon am Tag seiner Entführung ermordet worden. Die Lösegeldforderung sei nur vorgeschoben worden, mutmaßt die Polizei. Tatverdächtig ist ein Bekannter des 11-Jährigen

aus Frankfurt am Main HEIDE PLATEN

„Ein zusammengeknülltes Bündel mit menschlichen Konturen“, gefunden in einem See östlich von Hanau. Das war der Hinweis darauf, dass der 11-jährige Jakob von Metzler „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ tot sei, teilte der Frankfurter Polizeipräsident Harald Weiss-Bollandt noch am Nachmittag mit. Kurz darauf bestätigte die Staatsanwaltschaft: Das Kind ist identifiziert. Es sei vermutlich schon kurz nach seiner Entführung vor vier Tagen getötet worden, sagte Weiss-Bollandt. Der Tatverdächtige, ein 27-jähriger Jurastudent, habe ein Teilgeständnis abgelegt, hieß es gestern von der Staatsanwaltschaft Frankfurt.

Der Junge war am Freitagvormittag auf dem Heimweg zwischen Schule und Elternhaus verschwunden. Wenige Stunden später hatten die Eltern per Brief eine Lösegeldforderung über eine Million Euro vor ihrer Tür gefunden und in der Nacht zum Montag gezahlt. Die Lösegeldübergabe war von der Polizei observiert worden. Als dann auch nach mehreren Stunden keine Anzeichen für die Freilassung des Jungen zu erkennen waren, verhaftete sie einen 27-jährigen Mann und eine 16-jährige Frau. Gleichzeitig wurden mehrere Wohnungen im Stadtteil, alle in unmittelbarer Nähe des Entführungsortes, durchsucht und Dienstagnacht zwei 21 und 23 Jahre alte Brüder aus Frankfurt festgenommen. Bis auf den 27-Jährigen wurde alle gestern wieder freigelassen.

Am Vormittag hatten über tausend Polizisten vergeblich ein Waldgebiet weitab des Fundortes durchkämmt. Einer der Verdächtigen hatte zuerst den Tipp gegeben, man solle die Umgebung des elf Kilometer entfernten Langener Waldsees absuchen, an dessen Ufer sich im Sommer die Badenden drängen und auch im Winter Obdachlose campen. Die Suche konzentrierte sich auf die Bootshäuser am Yachthafen. Dort fanden die Beamten Kleidungsstücke und Blutspuren – nicht aber das Kind.

Die Polizei bestätigte gestern, dass der Junge seinen Entführer gekannt habe. Möglicherweise habe er sich deshalb nicht gewehrt. Es soll sich um einen Einzeltäter, einen Jurastudenten im 13. Semester, handeln, der ihm Nachhilfeunterricht gegeben hatte. Er sei nur geringfügig und nicht einschlägig vorbestraft. Die dilettantische Lösegeldforderung sei zur Verdeckung des Mordes gestellt worden.

Der Entführungsort ist jedenfalls nicht abgelegen, wohl aber anonym, in der Nähe eine gut frequentierte Tankstelle, eine viel befahrene Ausfallstraße, gleich an der Haltestelle ein Supermarkt. Der Schüler hatte es nur wenige Minuten weit vom Bus 35 an der Haltestelle Mörfelder Landstraße/Ecke Stresemannallee zu seinem Elternhaus in Frankfurt-Sachsenhausen, einer jener alten Villen mit schmiedeeisernen Toren, in denen – dezenter als in dem protzigen, neuen Nobelviertel Lerchesberg am Rand desselben Stadtteils – diskrete Firmen und alteingesessene Familien residieren.

Rund um den vermuteten Tatort herrschte gestern, bis auf die Fernsehübertragungswagen, kein geschäftigeres Treiben als sonst auch. Nirgends in der Bankenstadt sind die Kontraste zwischen Armen und Reichen so groß wie auf der Südseite des Mains. Zwischen den in Parks verborgenen Villen, etliche früher Sommerquartiere der stadtmüden Bankiers, und dem euphemistisch so genannten Sonnenhügel mit seinen aufeinander getürmten Hochhauswaben in Sichtweite klaffen soziale Unterschiede. Der Vater des Jungen, Friedrich von Metzler, einer der sechs Inhaber des 1674 gegründeten Familienbetriebes, der Privat- und Investmentbank B. Metzler seel. Sohn & Co. mit 650 Mitarbeitern, ist in der Stadt wie schon seine Vorfahren als Mäzen geschätzt. Er spendete Millionen für soziale Zwecke, Museen und eine Gastprofessur. Polizeipräsident Weiss-Bolland nannte die Tat ein „menschenverachtendes Verbrechen“, das in der „jüngeren Geschichte Frankfurts“ „ohne Beispiel“ sei.