urdrü‘s wahre kolumne
: Pflegefälle, deutsch

Groß sind die menschlichen Möglichkeiten, größer aber noch die schamlosen Unmöglichkeiten unserer Spezies, wie dieser dreiste Aushang im Gröpelinger Waschsalon verdeutlichen mag: „Witwer (72, kein Pflegefall) sucht junge Frau um 50 (deutsch!) für kostenloses Zimmer im gemütlichen Reihenhaus. Sauna, Auto, Premiere-Abo, moderne Küche und alle Haushaltsgeräte vorhanden.“ Kann ja seine Kontaktanzeige vielleicht mal im Beginenhof verteilen, dieser Nicht-Pflegefall ...

Angeblich war es ja Detlev Albers, der in den roaring sixties den Spruch kreierte „Unter den Talaren/der Muff von tausend Jahren“. Der Herr Professor könnte sich nunmehr als Rebell wieder reaktivieren, denn die Hochschule Bremen setzt neuerdings und ausweislich eines Fotos im Kurier am Sonntag ihren Absolventen wieder jene Doktor Faustus-Kappen mit Troddelgirlanden auf den Kopf, wie man¥s hierzulande eigentlich nur noch aus Hollywoodfilmen kennt, bevor die Kamera auf die tränenfeuchten Wangen der stolzen Eltern schwenkt. Was soll der Scheiß?

Am vergangenen Freitag beging das ganze große wiedervereinigte Deutschland den „Tag des Butterbrots“ und obwohl von den CMA-Promotiongirls allein in norddeutschen Großstädten angeblich 150.000 Stullen verteilt wurden, hat niemand in meinem umfangreichen Bekanntenkreis etwas abbekommen. Haben wahrscheinlich alles DIE DA OBEN unter sich ausgemacht und in ihren Schwartau-Kreisen weggefrühstückt, man kennt sie ja!

Zu den marktwirtschaftlichen Helden der Nachkriegszeit gehörten Kaufhausreiter Josef Neckermann und die zutiefst mütterliche Quelle-Chefin Grete Schickedanz. Bezeichnend, dass nunmehr auch das Elend der Arbeitslosen nicht von rot-grün gewuppt wird, sondern vom Versandhaus Quelle, das in diesen Tagen aus Anlass seines Jubiläums allen Katalogshop- Kunden kostenlos eine Arbeitslosenversicherung auf die zu leistenden Monatsraten anbietet -allerdings nur für die, die zum Bestellzeitpunkt noch ungekündigt sind: Dies, in der Tat, nennen wir vorausschauende Fürsorge, Solidarität in Aktion. Und wer schon ohne Job da steht, kann neuerdings einen Arbeitsplatz beim Gewinnspielsender Neun plus abschießen. Sofern jedenfalls genügend Zuschauer über die schwer gebührenpflichtigen Telefonleitungen seines Callcenters für ihn votieren: eine Idee, die von Herrn Schulenberg persönlich kommen könnte.

Ach Jens Eckhoff, ich sorge mich um Dich! Natürlich, die Mädels werden im zunehmenden Alter immer teurer, die C & A-Anzüge sitzen nicht mehr so gut wie in Konfirmandenjahren und selbst im Fitness-Studio wollense Geld haben für den Konditionscocktail und da kann man natürlich mit den paar Euro Bremer Abgeordneten-Salär im Sack auch dann keine großen Sprünge machen, wenn man die Zuschläge als CDU-Fraktionschef bekommt. Wie groß aber muss materielle Not sein, wenn man sich in dieser peinlichen Offenheit zum eigenen Brieftaschen-Desaster bekennt und derart einsam vorprescht, statt mit den anderen Leistungsempfängern zunächst eine Sprachregelung auszukungeln! Steht am Ende der Herr vom Sankt Petersburg-Inkasso schon vor der Tür oder glaubst Du auch, dass Maurerpolier Zech auf Dauer als kommunaler Herrenausstatter ausfällt? Mein diskreter Tipp: Der stets gut sortierte Altkleider-Container am Waller Bahnhof und die Lebensmittel- Abgabestellen der Bremer Tafel.

Herzliche Bitte an BesucherInnen meiner heutigen GaDeWe-Veranstaltung „Ein Volk! Ein Sand! Ein Sack!“. So ihr noch irgendwo einen Jutesack liegen habt, bitte für diese pompöse Ausstattungsrevue mitbringen! Eine Flasche Bier verspricht dafür in jedem Fall

Ulrich
„Sturmflut“ Reineking