nach der wahl ist auch egal von WIGLAF DROSTE
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Nie war es so einfach, sich als Widerstandskämpfer fühlen zu dürfen. Mit Verschwörermiene sneakern Grünenwähler durchs Land, einander wiegend in der Versicherung, sie hätten aber so was von das Bessere und ökologisch Großartige getan: Kurz gewählt, und schon ein richtiger kleiner Umweltheld.

Aber, liebe Kinder, ist das denn auch wahr? Oder habt ihr euch wieder nur billig abspeisen lassen? Wer zum Beispiel fährt noch Zug, seitdem die Bahn den Kunden zu ihrem ganz persönlichen Feind erklärte? Im Interregio wurde das Bord-Bistro abgeschafft und durch einen „Snack-Point“ ersetzt: Hier kann Automatenfutter an schmuddeligen Plastikstehtischen verzehrt und nahezu gleichzeitig wieder erbrochen werden. „There’s a snack-point of no return“ – der deutsche Verleihtitel für diesen schlechten Film heißt: „Fraß ohne Wiederkehr“.

In eine Zeit, in der die Bahn erklärt, sehr zügig sogar noch unerschwinglicher und unerfreulicher sein zu wollen, fällt die Nachricht, dass Reisen geradezu sagenhaft billig werden soll: Inlandsflüge und Flüge innerhalb Europas sind dann für 50, 20 oder sogar nur 10 Euro zu haben. Wer den Himmel über Frankfurt oder Berlin betrachtet, kann es sehen: Voller geht es längst nicht mehr, es soll aber noch sehr viel voller werden. Wer Gedröhn und Gepeste individuell und global ertragen soll – egal. Das ist der immergleiche Preis solchen Dumpings: Die vermeintlichen Geschenke werden von anderen bezahlt – obwohl die gar keine Präsente überreichen wollten.

Ich will keine Diktatur, ganz sicher auch keine ökologische. Mir sind schon die argwöhnischen Blicke von Leuten zuwider, die ständig in der Nähe von Mülleimern herumhängen und nachlurgen, ob auch alles in die richtige Tonne kommt. Ihnen singe ich gern ein Lied auf die Melodie vom kleinen grünen Kaktus: „Mein kleiner grüner Blockwart steht draußen vorm Balkon, falteri, faltera, falteru.“ Er zählt die Menschen, die den Müll nicht sortieren, die geht er dann wieselflink denunzieren.

Genau deshalb hätte ich lieber etwas anderes als grüne Simulation. Es ist kein Fortschritt, wenn die Deutschen mit ihren Abfällen Winterhilfswerk spielen und mit der braunen Bio-Tonne stolz Millionen Fruchtfliegenherde installieren. Das Predigergeplärre, mit Mutti Erde würde schon alles wieder gut, wenn nur jeder bei sich selbst anfinge, hat grumpelige Ökospießer hervorgebracht, nichts sonst.

Politik ist nicht drangsalistische Umerziehung des Volkes, von der viele Grüne vor 20 Jahren heftig träumten. Die Kehrseite des frühgrünen Wahns ist der altgrüne: Wurschteln zugunsten menschlicher Breitreifen, die sich allein für räuberischen Profit interessieren – so wie die mitregierenden Grünen es praktizieren. Ihren Fraktionsvorsitzenden, den Paradeparvenü Rezzo Schlauch, sah ich in einer Trattoria in Berlin-Mitte: Er lag mit dem Gesicht im Teller und schlotzte ein – kein Wunder, dass er allein am Tisch saß. Seine Schmackofatzmanieren verkauft dieser Mister Chappi als Genussfähigkeit, sein Porschefahren als Hedonismus. Er ist ein gültiger Repräsentant grüner Politik.