philipp maußhardt über Klatsch
: Aussehen wie …

Träumen wir nicht alle davon, einmal ein anderer zu sein? Berühmt zu sein? Für Bruce Willis gehalten zu werden?

Mich kennt keiner, jedenfalls kein Fremder auf der Straße. Und auch, wenn ich von der Seite, mehr von der linken und auch dann nur ein wenig von unten betrachtet, aussehe wie Bruce Willis, kommt es leider nur sehr selten vor, dass ich Prominentenstatus genieße.

Nur einmal, beim Oktoberfest vor drei Jahren, als nach elf Uhr schon keiner mehr ins überfüllte Käfer-Zelt hineingelassen wurde, schaufelte mir ein Türsteher den Weg frei und begrüßte mich mit „Hi, Bruce!“ Ich sagte ebenfalls „Hi!“, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und war drinnen. Bis heute weiß ich nicht, ob er mich nur auf den Arm nehmen wollte oder ob er wirklich glaubte, ich sei der berühmte Schauspieler.

Vor ein paar Wochen stand ich vor dem Hotel „Trois Rois“ in Basel und wartete auf ein Taxi. Weil lange Zeit keines kam, fragte ich das neben mir wartende Pärchen, das aussah, als ob es zur selben Veranstaltung wollte, ob wir uns einen Wagen teilen. Sie war wunderschön, er etwas schweigsam. Beim Aussteigen schüttelte ich beiden die Hand und stellte mich vor. Sie schauten betreten, als ich sie nach ihrem Namen fragte. Er hieß White, ja genau, der Jack White aus Berlin, der weltberühmte Komponist. Ich weiß nicht, wem es peinlicher war. Aber wahrscheinlich mir.

Nicht berühmt zu sein, ist schlimm. Noch schlimmer ist, berühmt zu sein und nicht erkannt zu werden. Am schlimmsten aber ist, berühmt zu sein und verwechselt zu werden. Meine Freundin Andrea Werner aus Tübingen war vor kurzem bei ihrer Tante zu Besuch in München, und die beiden liefen zusammen die Maximilianstraße entlang. Die ältere Frau blieb plötzlich vor einem Mann stehen und rief voller Freude: „Schau mal, da steht der Uwe Seeler!“ Andrea errötete, weil der Mann sich irritiert nach ihnen umschaute, und zog ihre Tante schnell weiter. „Aber Tantchen, das war doch Günter Netzer!“

Schauspieler sind am nachtragendsten, wenn man sie nicht erkennt. Ihr lauernder Blick an Kneipentischen, ob in diesem Raum etwa jemand sitzt, der sie nicht beachtet, ähnelt dem des Panthers vor dem Sprung. Wehe! In solchen Fällen heuchle ich Wissen. „Ich habe Sie doch kürzlich …“ – ein Halbsatz, der genügt, dann erzählen sie von alleine weiter, aus guten Zeiten, schlechten Zeiten vom Marienhof oder der Lindenstraße.

Nicht erkannt zu werden, akzeptieren Berühmtheiten nur dann, wenn sie einsehen müssen, dass man sie nicht kennen muss. So saß ich vergangene Woche über eine Stunde lang im Zug von Windhoek nach Swakopmund einer Frau gegenüber, die sich völlig normal verhielt. Erst als der Kellner sich so verrenkte und mir vor Aufregung das Weinglas über mein T-Shirt schüttete, erfuhr ich schließlich, dass Roux-Ché die bekannteste Nachrichtenmoderatorin von ganz Namibia ist.

Sind Sie nicht Herr Kaiser von der Versicherung? Oder wenigstens die Stimme aus der E.ON-Werbung? Jemand anders sein, jemand Berühmtes sein, nur nicht man selbst.

Im Amtsgerichtssaal einer niedersächsischen Kleinstadt, wo gegen seine Hoheit Prinz Ernst August von Hannover wegen eines Arschtritts verhandelt wurde, saß in der letzten Reihe ein Mann, der aussah wie der Angeklagte persönlich. Er trug sogar eine Krawatte mit dem Wappen derer von Hannover. Doch der Mann war nur ein Vertreter von Baumaschinen und wollte einmal als ein anderer wahrgenommen werden, was ihm auch gelang. In der Verhandlungspause stand er auf dem Gerichtsflur und gab Interviews in Fernsehkameras. Er hielt den Kopf wie sein Vorbild, er sprach wie sein Vorbild, ja, in diesem Moment war Karlheinz Grabert (oder wie auch immer er geheißen haben mag) der Welfenprinz persönlich.

Schein oder nicht Schein. Der Bürgermeister des schwäbischen Städtchens Trochtelfingen hat sich über mehrere Jahre hinweg im Sommerurlaub abgewetzte Klamotten angezogen und lief dort, wo ihn keiner kannte, als Landstreicher herum. Unrasiert, ungepflegt. Schlafen tat er in Männerwohnheimen. Für ihn was das Erholung.

Nur einen kannte ich, der wollte immer nur derselbe sein. Der große Verleger Alfred Neven DuMont aus Köln. Von ihm erzählt man sich, er halte sich nur deshalb eine Zeitung, um wenigstens einmal in der Woche sein Foto darin zu sehen. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich weiß nur, dass ich, als ich einmal als Redakteur ein Bild von ihm in seiner eigenen Zeitung abdrucken ließ, das ihn von seiner menschlichen Seite mit verrutschter Frisur und offensichtlich angetrunken zeigte, sofort entlassen wurde.

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