SCHWEDENS SOZIALDEMOKRATEN ZEIGEN ABSOLUTEN MACHTANSPRUCH
: Merkwürdige Regierungsbildung

Von Deutschland aus schien das Spiel um die Bildung einer neuen schwedischen Regierung merkwürdig. Die Sozialdemokraten hatten bei der Wahl zwar zugelegt und 39,8 Prozent erreicht, doch für eine eigene Mehrheit reichte es nicht. Eine Koalition mit Linkssozialisten und Grünen wollten sie aber nicht eingehen – trotzdem eine parlamentarische Krise, ein Misstrauensvotum und Neuwahlen drohten. Als „nicht reif genug“ befand der schwedische Ministerpräsident Göran Persson die Grünen, die ihm in der letzten Legislaturperiode zu einer parlamentarischen Mehrheit verholfen hatten. Ihnen fehle die außenpolitische Glaubwürdigkeit. Mit einer ähnlichen Argumentation wurden bislang auch die Linkssozialisten als nicht koalitionsreif abgetan. Als Mehrheitslieferanten werden beide Parteien gerne akzeptiert.

Außenpolitisch spielen Schwedens Grüne unter ihren europäischen Schwesterparteien tatsächlich eine Sonderrolle. In ihrem Parteiprogramm fordern sie den Austritt aus der EU und lehnen den Euro ab. Und schwedischen Beteiligungen an Kriegseinsätzen steht die „Miljöpartiet“ auch dann skeptisch gegenüber, wenn diese den Segen der UN bekommen haben. Die Sonderrolle der schwedischen Grünen spiegelt allerdings nur die Sonderrolle Schwedens in Europa wider.

Perssons Sozialdemokraten sind über die EU selbst tief gespalten. Sie würden kaum auf den Gedanken kommen, mit Grünen zusammenzuarbeiten, welche in der EU ein Friedensprojekt sähen. Und so haben Perssons Probleme mit den Grünen wenig mit konkreten Meinungsverschiedenheiten zu tun. Aber ganz viel mit dem vollkommenen Machtanspruch seiner Partei. In den letzten 70 Jahren regierte 61 Jahre lang ein sozialdemokratischer Regierungschef – allein. Oft ohne eigene Mehrheit, mit Hilfe der wechselnden Parteien, welche ihm dann selbstlos von Fall zu Fall die fehlenden Stimmen lieferten. Dieses Schema versuchten Schwedens Grüne mit ihrer Koalitionsforderung zu knacken. Vielleicht bedarf es aber noch einer Legislaturperiode, bevor eine solche Selbstverständlichkeit dann auch gelingt. REINHARD WOLFF