Ein Drahtseilakt aus Goethe-Zitaten und Schubert

„Mal was anderes“: Heute bringt Jörg Mannes einen dreifach getanzten Faust auf die Bretter des Bremerhavener Stadttheaters

Ja, es sei ein bisschen verrückt, ausgerechnet „Faust“ als Material eines Balletts zu wählen, gesteht Jörg Mannes. Bremerhavens junger Ballett-Chef fragt sich selber: „Was kann man noch Schwereres machen?“ Auf der Suche nach Stoffen, die ihn tänzerisch reizen, ist ihm Goethe in die Hände gefallen. Immerhin, Mannes nimmt es nicht mit dem gesamten Faust-Stoff auf, er berschränkt sich auf Motive und Szenen aus dem Ersten Teil.

„Mephisto – Faust – Margarethe“: Es wird keine Massenszenen geben, kein Saufen und Prügeln in „Auerbachs Keller“ und keinen „Osterspaziergang“. Es gibt den einsamen Gelehrten in seinem „Studierzimmer“, es gibt Mephisto, der ihm einen verführerischen Ausweg bietet, und es gibt Margarethe. Mannes: „Ich wollte mal etwas anderes probieren. Ich habe eine Geschichte ins Tänzerische übersetzt, die man niemandem erzählen muss, weil sie jeder kennt.“

Um es nicht zu einfach zu machen, erlaubt er sich kleine Komplikationen: Er verdreifacht jede der drei Figuren. „Das klingt vielleicht verwirrend, aber ich wollte mir mehr Freiheiten eröffnen, ich kann jeden Faust mit jeder Margarethe kombinieren.“ So verändern die in Bewegung und Ausdruck sehr unterschiedlichen Tänzer die Figuren und die Verhältnisse zwischen ihnen. Zum Beispiel: „Die Besetzung wird jünger, wenn Faust und Margarethe umeinander werben, in den dramatischen Situationen kann sie wieder älter werden.“ Mannes hat Spaß daran, manche Goethe-Zitate wörtlich zu nehmen: „Wenn Mephisto zu Faust sagt, er habe ihm Flügel gegeben um zu fliegen, doch jetzt habe er Angst zu fliegen, so etwas greife ich auf.“

Für den großen Stoff ist ihm die schönste Musik gerade recht. Das Orchester spielt – unter der Leitung von Hartmut Brüsch – ausschließlich Musik von Franz Schubert. Und was wird in diesem musikalischen Bett aus Faust und Margarethe? Der Ballett-Chef listig: „Ich nehme den Faust nicht so tragisch, und ich probiere auch nicht aus, irgendeine Philosophie hineinzulegen.“ Der Faust schwanke ja – wenn er an Gretchen denke – zwischen Vergötterung und ihrer Ausnutzung als Lustobjekt. „Eigentlich kann Faust mit Margarethe nichts anfangen. Aber warum will er sie am Ende retten? Es muss doch auch eine Verbindung geben zwischen beiden.“

Jörg Mannes verdreifachter Faust darf Gefühle zeigen, schließlich ist sein verdreifachtes Gretchen „ein ganz normales Mädchen. Und das ist ihr Problem.“ Also doch ein Problem-Stück? Wie bisher jede seiner eigenen Ballett-Produktionen ein Wagnis, ein Drahtseilakt. Denn Jörg Mannes will natürlich – und vor allem – sein Publikum gut unterhalten. Hans Happel

Die Premiere der Uraufführung „Mephisto – Faust – Margarethe“ beginnt am heutigen Samstag im Großen Haus des Stadttheaters um 19.30 Uhr