Herr Jäggi mag‘s marode

René C. Jäggi kennt sich mit dahinsiechenden Firmen bestens aus. Beim 1. FC Kaiserslautern ist der Schweizer derzeit deshalb der richtige Mann am richtigen Ort. Dem Traditionsverein droht das Aus

von FRANK KETTERER

René C. Jäggi gilt als einer, der prinzipiell weiß, wie es geht. Der Mann aus der Schweiz war mit Mitte dreißig Deutschlandchef beim Batteriefabrikanten Daimon-Duracell und ein paar Jahre später Boss von Adidas. Er hat den wirtschaftlich am Boden liegenden Schuhfabrikanten Romika wieder zum Laufen gebracht und auch das heruntergewirtschaftete „Palace“, ein Nobelhotel im schweizerischen Mürren. Ganz nebenbei hat der 53-Jährige den schwer ins Schlingern geratenen FC Basel zurück in die Erfolgsspur geführt – bis mitten hinein in die Champions League sogar. René C. Jäggi, das darf man so sagen, ist also ein Fachmann für schwere Fälle, Sanierer nennt man Männer wie ihn. Jäggi scheint diese Rolle auf den Leib geschneidert. „Ich mag das Wort marode“, gibt er zu.

So gesehen dürfte sich der 53-Jährige derzeit rundum wohl fühlen, schließlich ist beim 1. FC Kaiserslautern, bei dem Jäggi vor ein paar Wochen als Generalbevollmächtigter angeheuert hat, so ziemlich alles marode. Sportlich steht der Traditionsclub aus der Pfalz in der Tabelle ganz unten, wirtschaftlich keineswegs besser, wie sich diesen Dienstag herausgestellt hat. Da gab Jäggi auf einer Bilanzpressekonferenz die nackte Wahrheit in Zahlen preis, die der ganzen Pfalz derzeit Atem und Schlaf rauben – und die der Schweizer schließlich in diesen traurigen Satz packte: „Wir sind ein Sanierungsfall.“ Was en detail nichts anderes heißt als: Der 1. FCK erwartet, sollte weiter so missgewirtschaftet werden, einen Verlust von 9,4 Millionen Euro bis zum Saisonende; um dieses überhaupt zu erleben, benötigt der Club eine Soforthilfe von 5 Millionen Euro. „Wir brauchen dieses Geld, um Zahlungsunfähigkeiten in den nächsten Tagen und Wochen zu verhindern“, ließ Jäggi wisssen, um gleich im Nebensatz das Verhökern des Tafelsilbers bekannt zu geben, was derart geschehen soll: Der Verein will die Transferrechte an Miroslav Klose an einen Investor verkaufen, wie gestern bekannt wurde, soll es sich dabei um die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH handeln. Dies hätte den Vorteil, dass die Kohle – just die 5 Millionen Euro – sofort fließt, der WM-Held, mit Vertrag bis 2005, aber auch mit Ausstiegsklausel für 2004 ausgestattet, noch mindestens diese und nächste Spielzeit für die Pfälzer dem Ball nachrennen könnte – und nicht gleich, also aus der Not heraus und somit weit unter Marktwert, an die Konkurrenz verscherbelt werden muss.

„Er hat kein Problem mit dieser Vereinbarung“, berichtet Jäggi von einem Gespräch mit Klose und dessen Berater zwar; dass der Stürmerstar auf diese Art quasi zum Lebensretter für einen ganzen Verein gekürt wird, könnte dennoch leicht zu einer allzu schweren Last werden, die selbst größtes Talent unter sich erdrücken könnte. Schon zuletzt blieb Klose weit unter Normalform, beim Auswärtsspiel in Nürnberg beispielsweise fehlten ihm sogar Mumm und Selbstvertrauen, einen Elfmeter zu schießen, obwohl Trainer Eric Gerets, zeitgleich mit Jäggi und als Nachfolger von Andreas Brehme in die Pfalz gekommen, ihn dafür auserkoren hatte. „Das Einzige, was ihn befreien kann, ist ein Tor“, glaubt Gerets. Ob die Sache im Fall Klose, diesbezüglich eher als Sensibelchen bekannt, wirklich so einfach ist, muss freilich noch abgewartet werden.

Im Gegensatz dazu fest steht, dass selbst die Klose-Millionen nicht mehr sind als ein Tropfen auf den heißen Stein. Dafür wurde auf dem altehrwürdigen „Betze“ in den letzten Jahren doch zu heftig dilettiert, vor allem den Ende August zurückgetretenen Vorstandsvorsitzenden Jürgen „Atze“ Friedrich sowie den ebenfalls getürmten Aufsichtsratsvorsitzenden Robert Wieschemann wünscht man sich in der Pfalz mittlerweile zum Teufel. Die Liste ihrer Verfehlungen kommt einem Auszug aus dem ABC des Missmanagements gleich. So konnte dem Spieler Taribo West die Kündigung nicht zugestellt werden, weil dem Verein der Wohnort seines Angestellten nicht bekannt war, das Jahresgehalt hatte der Club freilich schon im Voraus überwiesen. Ciriaco Sforza wiederum, während der Saison eilig als Verstärkung eingekauft, wurde sogleich auch ein keineswegs kostengünstiger Zusatzvertrag angeboten, der dem Schweizer nach seiner aktiven Karriere die Übernahme als Sportdirektor garantiert, obwohl dieser Posten im Verein derzeit weder vorhanden noch für die Zukunft geplant ist; prompt meldete sich Mario Basler zu Wort mit dem sachdienlichen Hinweis, auch ihm habe man den einträglichen Job für das Leben danach bereits zugesichert.

Mehr als alles andere aber liegt die WM 2006 im eigenen Land wie ein Fluch über dem „Betze“. Zwar wurde unter Friedrich ein Umbaukonzept des Fritz-Walter-Stadions erstellt, das vom DFB prompt den Zuschlag als WM-Spielort erhielt, wofür sich der ehemalige Vorstandsvorsitzende ausgiebig feiern ließ wie ein pfälzischer Mini-Kaiser. Nun, unter Jäggi, stellt sich heraus, dass die rund 18 Millionen Euro, mit denen der Club an dem insgesamt knapp 50 Millionen teuren Projekt beteiligt ist, kaum finanzierbar sind, jedenfalls nicht so, wie bisher geplant – und schon gar nicht seriös. „Der Club hat sich mit dem Bauprojekt übernommen“, sagt Jäggi und fordert: „Die Lasten für den 1. FC Kaiserslautern müssen geringer werden.“ Derzeit verhandelt der Schweizer mit den Banken über längere Tilgungsfristen und niedrigere Zinssätze, auch mit dem Land, das 21,7 Millionen zum Bau zuschießt, müsse nochmal geredet werden.

Vom Ausgang dieser Nachverhandlungen könnte durchaus die Zukunft des Traditionsclubs abhängen. „In den nächsten Wochen“, sagt Jäggi, „entscheidet sich, ob es zum Crash kommt.“ Sportlich könnte der gar schon heute drohen, wenn Energie Cottbus, der Tabellenvorletzte, in der Pfalz gastiert. „Wenn wir nicht gewinnen, wird es sehr einsam am Tabellenende“, sagt René C. Jäggi. Was dann zu tun ist, weiß derzeit noch nicht einmal er.