Ein eigenmächtiger Geschäftsmann

Der Gouverneur der neuen Sonderwirtschaftszone in Nordkorea, Yang Bin, wurde gestern verhaftet

Man sagt auch in China, Rauchen macht dünn. Doch Yang Bin, der zweitreichste Mann der Volksrepublik, der einst ein armer Waisenjunge war, ist Kettenraucher und hat die ausufernde Figur eines Sumo-Ringers. Vor allem aber zeichnet den 39-jährigen chinesischen Geschäftsmagnaten ein entwaffnendes Kinderlächeln aus, mit dem er stets alle Welt zu überzeugen weiß, dass er der geborene Glückpilz sei.

Nur gestern hatte Yang kein Glück: Schon um fünf Uhr morgens klopfte die Polizei an die Tür seiner Villa in der nordchinesischen Provinzhauptstadt Shenyang und nahm den wegen Steuerhinterziehung Verdächtigten mit zum Verhör. Dass Yang dabei festgenommen wurde, bestritt zwar anschließend ein Sprecher seines Unternehmens. Doch da der Großkapitalist auch am Abend nicht freikam, sah es ganz danach aus, als wären die Behörden der Kommunistischen Partei, denen man sonst kaum noch antikapitalistische Allüren nachsagt, diesmal ihrem Ruf gerecht geworden.

Das liegt daran, dass Yang die Kommunisten in den letzten Tagen richtig geärgert hat. Denn ohne sie zu fragen, ließ er sich Anfang vergangener Woche zum Gouverneur einer neu einzurichtenden Sonderwirtschaftszone in Nordkorea ernennen. Man stelle sich vor: Peking bestellt den Gouverneur von Hongkong, schießt mit Raketen, wenn auf Taiwan ein unabhängiger Präsident gewählt wird, und weiß sich als letzter Garant des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Il.

Nun kommt plötzlich ein Yang Bin daher, der inzwischen einen holländischen Pass besitzt, und sagt, er sei Gouverneur in Nordkorea und wolle in seiner Enklave in Zukunft mit Dollar handeln und einen westlichen Rechtsstaat einführen. So frech kann nur einer sein, der in seinem Leben alles erreicht hat. Yang wurde als Sohn armer Eltern in südchinesischen Nanking am Jangtse geboren, besuchte dort die Uni und unterrichtete schließlich Politik in einer Lehreinheit der Volksarmee, bevor er 1987 ein Stipendium für die Universität Leiden in den Niederlanden erhielt.

Von dort startete Yang seine Geschäfte: Zunächst einen lukrativen Textilhandel mit China, dann entdeckte er den Export landwirtschaftlicher Produktionstechniken als wirtschaftliches Zugpferd und gründete in Shenyang sein Unternehmen „Euro-Asia Agriculture“, das er im vergangenen Jahr an der Hongkonger Börse einführen ließ. Im Nu verdoppelte sich der Wert seines Unternehmens, und Yang war plötzlich der zweitreichste Mann im Riesenreich. Denn das Geschäft mit neuen Zuchtmethoden für Blumen und Gemüse in China galt bei Investoren als sichere Zukunftsanlage. Bis Yang in Verruf geriet. Gerüchte über Steuerhinterziehung erreichten die Anleger, nun fiel die Yang-Aktie auf ein Sechstel ihres Höchstwerts.

Das war der Moment, in dem sich das Stehaufmännchen Yang als neuer Wirtschaftreformer Nordkoreas präsentieren ließ. Dort hatte er mit seinem Lächeln und neuen landwirtschaftlichen Ideen Diktator Kim erweicht. Dass dieser ihm gleich eine der wertvollsten Ecken seines Landes, das Grenzgebiet nahe der chinesischen Großstadt Dandong, zur Verfügung stellte, überraschte auch Peking. Nie zuvor hat Nordkorea ein solches kapitalistisches Experiment gewagt. Yang steckt dafür nun in Haft. Doch sein Ruhm wird weiter steigen. GEORG BLUME