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: Vorwärts in die Opposition

Zwei Wochen lang haben sich die Unionsparteien ihre Niederlage schöngeredet, jetzt kommen die harten Fakten auf den Tisch. Fast zeitgleich räumten CDU-Chefin Angela Merkel und Saarlands Ministerpräsident Peter Müller gestern ein, was schon vergangene Woche in den Wahlanalysen stand: Spürbar zugelegt haben CDU und CSU lediglich in Bayern und Baden-Württemberg, andernorts ist sie über die blamablen Ergebnisse der Anti-Kohl-Wahl vor vier Jahren nicht hinausgekommen. Großstädter und Norddeutsche, Jungwähler und vor allem Frauen sind der Union weniger zugeneigt denn je.

Kommentar von RALPH BOLLMANN

Trotzdem sind viele in der Union drauf und dran, ihre Fehler von 1998 zu wiederholen. Damals wertete die Mehrheit der Christdemokraten und -sozialen den rot-grünen Wahlsieg als historischen Irrtum, den die Wähler bei nächster Gelegenheit korrigieren würden. Mit ähnlichen Parolen tröstete sich heute nicht nur Edmund Stoiber über die Schlappe vom 22. September hinweg: Wir sind wieder auf Augenhöhe, wir werden die Regierung noch in dieser Wahlperiode ablösen.

Dabei zeigt sich gerade beim Thema Ehegattensplitting erneut, wie weit CDU und CSU von einer klaren Strategie entfernt sind. Während Müller die „Wahlfreiheit zwischen unterschiedlichen Lebensentwürfen“ preist, geißelt der wahlkämpfende Niedersachse Christian Wulff die behutsame Modernisierung des Steuerrechts als „Angriff auf bewährte Lebensformen“. Ein ähnliches Bild bietet sich im Streit um mögliche Steuererhöhungen. Da verkündet die CDU-Chefin, ihre Partei müsse im Bundesrat „klar Nein sagen, wo immer sie es für richtig hält“ – aber nur, „wenn es den Interessen der Länder denn entspricht“. Offenbar glaubt Merkel selbst nicht so recht an die halbherzigen Dementis der Unions-Ministerpräsidenten, sie würden nicht für Steuererhöhungen stimmen.

Wenn CDU und CSU bis 2006 wieder regierungsfähig werden wollen, dann müssen sie sich von ihren Lebenslügen befreien. Die Forderung des Saarländers Müller nach einer „offensiven Annahme“ der Oppositionsrolle mag für Außenstehende selbstverständlich klingen – für die Union ist sie es nicht. Aber die fällige Erneuerung kann nur dann gelingen, wenn sich CDU und CSU nicht länger als geborene Regierungsparteien ansehen und ihre Reformbemühungen nicht bei jedem kleinen Umfrage-Hoch aufgeben. Dann stellt sich möglicherweise auch die Frage nach neuen Koalitionspartnern. Vorher nicht.

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