Der dreifache Faust

„Mein schönes Fräulein, darf ich wagen…“ – wie ein sattsam bekannter Stoff zum Ausnahmeabend wird

Stürmischer Beifall, Jubel und Bravo-Rufe: Mit der Uraufführung des Balletts „Mephisto -Faust - Margarethe“ im Bremerhavener Stadttheater hat Jörg Mannes Maßstäbe gesetzt.

Sobald zu den ersten dunklen Tönen von Schuberts „Unvollendeter“ der Vorhang geöffnet wird, ist das Spiel im Fluss: Drei Tänzer in mattroten Anzügen bewegen sich in einer transparenten Raumkonstruktion aus hellen Stoffbahnen – alle drei stellen Faust dar, eingesperrt in seinem Studierzimmer. Aber sie müssen nicht erst verwandelt werden. Sie verkörpern nicht den verknöcherten Kopfmenschen, sie sind schon die entzündeten – jüngeren und älteren – Körper, die sich an der Enge ihrer Welt reiben.

Aus dem Dunkel im Hintergrund tauchen „schwankende Gestalten“ auf, sie erheben sich zum eleganten Hauptmotiv aus dem Ersten Satz der „Unvollendeten“. In diesem faszinierenden Bild sind alle Elemente versammelt, mit denen Jörg Mannes von Faust erzählt. Der enge und der weite Raum, die Lichtwechsel und Farbkontraste im Zusammenspiel mit dem Wechsel der musikalischen Farben, die Verfremdung der Figuren durch ihre Verdreifachung.

Witzig und anrührend, wie Faust zum ersten Mal sein Gretchen erblickt. Statt der unsterblichen Zeilen aus dem Zitatenkästlein („Mein schönes Fräulein, darf ich wagen...“) Variationen auf Rituale der ersten Begegnung. Das ist so frappierend einfach wie bildschön in Szene gesetzt. Im Kampf zwischen Faust und Mephisto bleibt unentschieden, wer wen erobert. Mephisto wird von einem Mann und zwei Frauen getanzt: Ein geschlechtsloses Wesen, Animator im Glitzerfrack, ergebener Diener und Quälgeist, der Pudel nachspielen, Bocksprünge machen und seinem Faust auf dem Rücken sitzen kann. Ohne den philosphischen Hintergrund des wortmächtigen Dramas verschiebt sich der Blick auf das Liebesspiel, auf die Reaktionen derer, die beobachten und eingreifen.

Dirigent Hartmut Brüsch gelingt, fast beiläufig, eine großartige Interpretation der C-Dur- Sinfonie. „Mephisto - Faust - Margarethe“ ist mehr als ein kleines Meisterwerk. Diesem Ausnahmeabend wäre zu wünschen, dass er weit über die Stadt hinausstrahlt.

Hans Happel

Vorstellungen am 11., 20., 23., 25.10.