Für Kranke doppelt so teuer

Die Krankenkassen könnten erheblich sparen, wenn sie Hilfs- und Heilmittel nicht ausschließlich von Vertragspartnern beziehen dürften. Ein Vorstoß ist in Aussicht

BERLIN taz ■ Bis zu 1,5 Milliarden Euro werden den gesetzlichen Krankenkassen am Jahresende fehlen. Davon geht das Gesundheitsministerium aus. Deshalb kann sich der Verbraucher ab Januar auf steigende Beiträge einrichten. „Es geht nur noch darum, die Erhöhung abzumildern“, heißt es bei den Krankenkassen. Dazu beitragen soll einem Sofortprogramm der Spitzenverbände von letzter Woche zufolge unter anderem der „günstigere Einkauf von Hilfsmitteln wie Krücken und Bandagen“.

Hier wäre das Potenzial allerdings erheblich größer, wenn man Werner Schuren vom Verein Winsener Soziallotse glauben kann. „Gut zwei Milliarden Euro hätten allein bei der Heil- und Hilfsmittelversorgung im Jahr 2000 eingespart werden können“, erklärt Schuren. Der ehrenamtliche Sozialberater bearbeitet für den bundesweit tätigen Verein jährlich gut 1.500 Fälle. Und er kennt beide Seiten. Wegen Diabetes wurden ihm vor vier Jahren beide Beine amputiert. Bis dahin befasste er sich als leitender Angestellter bei verschiedenen Kassen mit Reha-Beratung und Leistungsrecht.

Exemplarisch für die Verschwendung im Hilfsmittelbereich ist der Fall des Querschnittgelähmten Klaus Schröder*. Er ist seit einem Verkehrsunfall vor 18 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen. Dieser ist technisch anfällig. Zuletzt brachen drei Speichen aus dem Hinterrad. Eine Reparatur im Fahrradgeschäft (Kosten etwa 14 bis 16 Euro) lehnte die Krankenkasse mit dem Hinweis auf ihre Vertragspartner ab. Schröder solle sich an ein Sanitätshaus wenden. Dort wurde das Rad für 41,31 Euro repariert, aber nach einigen Tagen rissen erneut Speichen heraus. Das Sanitätshaus verkaufte Schröder ein Hinterrad für 440,60 Euro. Die Krankenkasse zahlte anstandslos das 30-fache dessen, was im Fahrradladen angefallen wäre.

Wie diese Entscheidung zustande kam? Während die Krankenkassen sich dazu nicht äußerten, sagt Schuren: „Häufig entscheidet nur angelerntes Personal ohne medizinisches und technisches Wissen.“ Auch das Bundesamt für das Versicherungswesen stellte im Vorjahr „mangelnde Kompetenz der Entscheidungsträger“ fest.

Wirtschaftlichkeit schreibt der Gesetzgeber auch den Kassen vor: „Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen“ (§ 12, Abs. 1, SGB V). Trotzdem werden Elektrorollstühle für 8.000 Euro bei Vertragshändlern bestellt, obwohl Konkurrenten das Modell für 5.200 Euro anbieten. Sanitätshäuser verlangen 600 Euro für ein Sitzfell, der Großhändler 200 Euro. Normale Tandems (1.500 Euro) werden als Blindenfahrrad doppelt so teuer verkauft. Schuren wirft den Produzenten und dem Handel vor, es gehe ihnen nur um Profit. Und: „Die Kassen wollen es gar nicht anders.“ „Es muss etwas geschehen, aber uns sind die Hände gebunden“, klagt dagegen Joachim Odenbach, Sprecher des Bundesverbands der Innungskrankenkassen. Das Sozialgesetzbuch schreibe das Vertragspartnersystem vor. Sein Verband fordert, den Markt zu liberalisieren, ohne dass die Qualität auf der Strecke bleibt.

* Name geändert

BERND EICKEMEYER