Bush soll Arbeitskampf beenden

Seit einer Woche liegt der Hafenbetrieb an der US-amerikanischen Westküste lahm. Die Reedereien haben 10.500 Hafenarbeiter ausgesperrt. Es geht um die Einführung neuer Technologien und weniger Einfluss für die Gewerkschaft

Gegen Streik könnten Gesetze zum Schutz der nationalen Sicherheit greifen

aus Washington MICHAEL STRECK

Alle blicken auf den Präsidenten. Seit einer Woche stehen die Kräne in den wichtigsten Häfen an der US-Westküste still. Dort und auf offener See ankern mehr als 160 Frachtschiffe, die nicht entladen werden. Die Arbeitgeber haben die Hafenarbeiter ausgesperrt, die nun vor den Toren demonstrieren. Immer mehr Branchenverbände fordern, dass die Regierung einschreitet. Der Arbeitskampf bedrohe „vitale nationale Interessen“, argumentiert ein Sprecher der Consumer Electronics Association, der unter anderem Microsoft und Sony angehören. Der Präsident der National Association of Manufacturers, Jerry Jasinowski, spricht von einem „ernsten Risiko für die Erholung unserer Wirtschaft“.

Anlass für die Aussperrung der 10.500 Hafenarbeiter durch die Hafenvereinigung Pacific Maritime Association (PMA) sind die aktuellen Tarifauseinandersetzungen, in denen es nicht nur um Löhne, sondern auch um die Einführung neuer Technologien sowie um den Organisationsbereich und damit die Stärke der Hafenarbeitergewerkschaft International Longshore and Warehouse Union (Ilwu) geht. Seit der Gründung der Ilwu nach den Generalstreiks von 1934 gibt es für alle Häfen einen einheitlichen Tarifvertrag. Die PMA wirft den Arbeitern vor, die Aussperrung mit einem kostspieligen Bummelstreik provoziert zu haben.

Betroffen sind derzeit 29 Seehäfen, darunter so wichtige Knotenpunkte wie Los Angeles, Oakland und Seattle. Der dortige Stillstand trifft den Handel ausgerechnet zur geschäftigsten Zeit des Jahres. Nach Angaben der PMA kostet jeder Blockadetag eine Milliarde US-Dollar.

Die alle drei Jahre stattfindenden Tarifverhandlungen gehen selten konfliktfrei vonstatten. Den letzten großen Arbeitskampf hatte es 1971 gegeben, als der Hafenbetrieb durch die neuen Containerkräne revolutioniert wurde. Seitdem ist die Zahl der Hafenarbeiter von rund 100.000 auf 10.500 gesunken. Auch dieses Mal geht es um eine Modernisierung.

Die Hafenbetreiber wollen den Containerumschlag neu organisieren und den Warendurchlauf erhöhen. US-Häfen operieren im internationalen Vergleich noch stark mit menschlicher Arbeitskraft. Um in Los Angeles zu entladen, werden vier Arbeiter gebraucht, in Singapur reicht einer. Die Ilwu verweigert sich dem Technologieschub nicht grundsätzlich, besteht jedoch darauf, dass ihre Mitglieder auch bei den neuen Jobs berücksichtigt werden – und dass die für die Logistik entscheidenden Berufsgruppen in ihren Organisationsbereich fallen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Lkw-Fahrer, die die Container in und aus den Häfen transportieren, oder um Beschäftigte, die die Fahrt der Containerschiffe überwachen. Die Reedereien haben dagegen offen erklärt, ihr Ziel sei es, sich die Gewerkschaften vom Hals zu halten.

Eine Lösung des Konflikts ist auch nach der letzten Gesprächsrunde am Freitag nicht in Sicht. Dabei sind die Auswirkungen der Blockade längst sichtbar. In den Schiffsbäuchen verrotten die Bananen. US-Farmer bleiben auf ihrem Weizen sitzen. Firmen melden erste Lieferengpässe, und Autofabriken stellen aufgrund fehlender Zulieferteile die Montage ein. Andere Unternehmen lassen Ersatzteile einfliegen. Bislang sind Ballungszentren in Kalifornien betroffen, die Probleme drohen sich aber auf die gesamte USA auszuweiten.

Der Druck der Wirtschaftslobby auf die Regierung dürfte sich also noch erhöhen. Im „Krieg gegen den Terror“ könnten Bush & Co. einen Arbeitskampf zum nationalen Sicherheitsrisiko erklären und Sondergesetze anwenden. Diese, wie etwa das Taft-Hartley-Gesetz, mit dem Streikende für 80 Tage an ihren Arbeitsplatz zurückbeordert werden können, sind aber in der Regel gegen die Beschäftigten oder ihre Gewerkschaften anzuwenden. Wie ein Machtwort der Regierung gegen aussperrende Betriebe aussehen kann, ist dagegen unklar.