Frauenpolitik entscheidet

Grüner Bundesfrauenrat im Zahlenrausch: Laut Meinungsforschung belohnen Wählerinnen sowohl Quotenpolitik als auch weibliches Spitzenpersonal

BERLIN taz ■ Langsam sickert es durch. Die Union kann es noch nicht glauben, Grüne haben es jetzt schwarz auf weiß: Wer die bessere Frauen- und Familienpolitik macht, gewinnt die Stimmen der Frauen und damit die Wahlen. Das belegte gestern Rita Müller-Hilmer vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap auf der Bundesfrauenkonferenz der Grünen in Berlin.

Lange konnte sich die Union auf die Hausfrauen, ihre weibliche Stammklientel, verlassen. Doch in den letzten Jahren kippt das Verhältnis. Zwar wählten auch 2002 die meisten Hausfrauen Schwarz-Gelb, stellte Müller-Hilmer fest. Doch „sie verliereren quantitativ an Bedeutung“. Erstmals ergibt sich 2002 eine Lücke von 4 Prozentpunkten zwischen fortschrittlich wählenden Frauen und konservativ wählenden Männern.

Hat unsere wunderbare Frauenpolitik eine Rolle gespielt?, fragten nun gestern die Grünen. Eine unmittelbare Antwort darauf gibt es nicht – denn niemand hat dafür einem Meinungsforschungsinstitut die nötigen 15.000 Euro hingeblättert. Herausgefunden hat Infratest allerdings, dass für Frauen soziale Gerechtigkeit höchste Priorität hat. Bei Männern ist es Wirtschaftspolitik. Wenn man dann ein paar andere Daten zu Hilfe nimmt, kann man sich dem Schluss „Frauenpolitik matters“ nicht ganz entziehen.

Etwa die Wählerinnen der Grünen. Seit 1987 wählen bei jeder Wahl immer mehr Frauen die Grünen, 2002 waren es ganze 2 Prozent mehr, die größte Lücke in der Geschichte der Partei. Was war 1987 passiert? Etwas genuin Frauenpolitisches: Die Grünen hatten sich ein Frauenstatut verpasst – und die strengste Quote, die eine Partei nur haben kann. Ganz nebenbei hat dimap vor einiger Zeit auch mal für eine Frauenzeitschrift herausgefunden, dass 77 Prozent aller Frauen eine Quote in politischen Parteien wollen. Bei derselben Umfrage nannten die Frauen als ihr vordringlichstes Problem, das von der Politik zu lösen sei, die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern. Dass etwas „für Hausfrauen“ getan werden müsse, liebe Ehegattensplitter, wollten dagegen ganze 5 Prozent.

Zudem, so erläuterte Müller-Hilmer, zählt das weibliche Spitzenpersonal: Ute Vogt konnte bei ihrem Achtungserfolg gegen Erwin Teufel in Baden-Württemberg auf einen Stimmenzuwachs bei jungen Frauen zählen. Heide Simonis wurde von Frauen an der Macht gehalten. Logisches Fazit für die nächste Wahl: Mit einer moderneren Familienpolitik und Angela Merkel könnte die Union gefährlich werden.

Und was machen die Grünen daraus? Die Frauen in der Partei bekommen gerade Lust, mit solchen Zahlen richtig Politik zu machen. Die Männer dagegen, so berichtete eine Delegierte aus Baden-Württemberg, diskutieren, wie die Grünen durch mehr Technikorientierung wieder mehr männliche Wähler gewinnen können. HEIDE OESTREICH