Metergroße Köpfe und Halbakte

Zwischen Werbung, Pornografie und Mode: Der New Yorker Maler Richard Philips im Kunstverein

Etwas Buntes zu gucken ist zweifelsohne lustiger als die aktuell üblichen theorielastigen Ausstellungen. Und so findet die Malerei, die zurzeit im Kunstverein gezeigt wird, auch regen Zuspruch. Denn da wird mit 22 großformatigen Bildern des New Yorkers Richard Philips dem Auge mächtig was geboten. In weitgehend fotorealistischer Darstellung springen die Besucher metergroße Köpfe und Halbakte in Untersicht an, auch Körperflüssigkeiten sowie sekundäre und primäre Geschlechtsmerkmale drängen sich auf – von Frauen, versteht sich.

Die Präsenz dieser Bilder ist so erschlagend, dass irritierende Details nicht sogleich auffallen: Der Leopardenschwanz, der sich zu einem Namenszug ringelt, ein über einen Busen geklebter Smiley und manche auf die Druckvorlagen hindeutende Farbverschiebung machen den Zitatcharakter der Arbeiten im Bild deutlich. Aber so schön ein wiedererwachtes Interesse an Malerei auch ist, was ist das Neue an dieser übergroßen Plakatbildnerei, das über den Rückgriff auf die Kunstparameter des Pop hinausgeht?

Wenn Aluminiumsilber als Bildhintergrund dient, auch die Augen und der Mund damit gemalt sind, mag hier eine beängstigende Maskenhaftigkeit gesehen werden, jenseits des Atlantiks wird schlicht die glamouröse Oberfläche goutiert. Es wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sogar möglich, einige der Bilder ungebrochen als nationale Ikonen zu lesen: Das hier doch lieber nur im Katalog gezeigte Porträt von Präsident Bush beispielsweise oder das vor byzantinischem Goldgrund gesetzte Zitat der beiden grauweißen Männer aus dem Pop-Denkmalsentwurf von Gipsbildhauer George Segal erscheint dort wie eine Hommage an die Überlebenden von Ground Zero.

So viel geradezu gegen ursprüngliche Intentionen ausgespielte Interpretationsbreite ist aber nicht unbedingt eine Qualität der Kunst, sondern zeigt vielmehr die professionelle Gewandtheit der Kunstvermittlung. So bleibt von der Ausstellung kaum mehr in Erinnerung als die verschiedenfarbigen Augen der Katze Persia, die weißen Hände auf den dunklen Brüsten der „Blessed Mother“, die Augen täuschende Seifenblase vor dem Auge von Suzanna Leigh und die eigenartige Anmutung einiger gemalter Haarsträhnen.

Hajo Schiff

Di–So 11–18 Uhr, Do bis 21 Uhr, Kunstverein; bis 10. November. Vortrag des Malers: Do, 17.10., 19 Uhr. Katalog im Verlag Hatje Cantz, 112 S., 19 Euro