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: HELMUT HÖGE über Attraktivität

Fitnessübungen für arme Schweine

Trotz nochmaliger Verlängerung der Öffnungszeiten des Wannseebads wird es doch langsam Herbst. Das erkennt man schon an den Titelstorys der Eliteninfos für die Topfrauen. Sie sind voller Erotiktipps für die nun wieder länger werdenden Nächte. Glamour setzt dabei auf die „sexy Hände“ – wobei es nicht nur um ausgefuchste Fingerpflege, sondern auch um geile Häkelideen geht. Die etwas jüngere Joy annonciert daneben frech: „Die neuen Sex-Techniken sind da!“ (rechtzeitig zum Allesheiligen).

Aber auch die Männer machen sich fit – für die kommenden Herbstmanöver. Immer öfter sieht man an den Umsteigebahnhöfen Friedrichstraße, Ostbahnhof und Alexanderplatz Sicherheitskräfte herumlaufen, die gar keine sind, sondern arme Schweine, die sich eine Jacke, auf der „Security“ hinten draufsteht, besorgt haben sowie ein hinters Ohr zu klemmendes Mikrofon, in das sie pausenlos irgendein dummes Zeug brabbeln, das sich so anhört, als würden sie dienstlich mit irgendeiner hochwichtigen Sicherheitszentrale kommunizieren. „Ja, ich bin hier auf Bahnsteig 7!“ „Nein, hier ist noch alles ruhig!“ „Soll ich noch mal durchchecken!“ „Im U-Bahn-Bereich war ich ja gerade!“ „Ja, von da komm ich jetzt!“ „Soll ich vielleicht Bahnsteig 5 kontrollieren?“ „Is gut, Bahnsteig 5“ usw. Trotz solch fiktiver Schwachsinnsdialoge – das Gerät besteht nur aus Mikro und Ohrklemmer – machen diese traurig-vereinsamten Hochstapler einen derart glücklichen Eindruck, gerade wenn man sie genau beobachtet, dass man sie resigniert weiter die letzten Reste von Gemütlichkeit an der Bahnkante zerstören lässt: Junge Touristinnen springen schuldbewusst vom Boden auf, wenn sich diese Security-Penner ihnen nähern, selbst ältere Trenchcoat-Reisende drücken ängstlich ihre Zigarette aus und illegale Mütter aus Albanien ihre Kleinkinder an sich.

Angefangen hat damit das Frankfurter Bräunungsstudio Malaria 1983 um Indulis Bilzenz: Bei großen Kunstveranstaltungen bestand ihr Beitrag darin, alle Gäste mit einer Mischung aus lettischem Grenzsoldaten und amerikanischem G-Man zu kontrollieren und um ihre Ausweise zu bitten. Bei tausenden fragte nicht einer seinerseits nach dem Ausweis oder der Berechtigung dieser den Fascho spielender Antifas, einige lächelten höchstens gequält.

Schon damals missfielen mir diese Perfomances, weil die Kontrollierten mir Leid taten, aber es war natürlich eine Übung im Umgang mit Offizialgewalt und eine Einübung in Hochstapelei zugleich. Besser fand ich jedoch neulich einen alten Obdachlosen in der U 2, der pausenlos in seine leere Bierdose am Ohr sprach – um sich über diese ganzen Handynutzer lustig zu machen. Als dann prompt eins losklingelte, lachte der ganze Waggon.

Beim Elbeflut-Medienhype war es ein Penner aus Passau, der bereits in der Vergangenheit immer wieder als Sicherheitsdienstleister aufgetreten war – zum Entsetzen seiner armen Mutter, wenn man dem Spiegel glauben darf. Mal trat er in einer Feuerwehruniform auf, mal als Rotkreuzhelfer mit einem Notarztkoffer, mal in einer Bundeswehruniform. Zuletzt als professioneller Hochwasserhelfer und „Leutnant der Militärpolizei“.

Woraus diese ganzen hochstapelnden Männchen ihren Lustgewinn beziehen, ist immer dasselbe: dass sie anderen Befehle erteilen und sie rumscheuchen können. Bei dem Passauer Penner hörte sich das zuletzt so an: „Absitzen – antreten – zack, zack, Sandsäcke füllen!“ Und der echte Feuerwehrmann am Steuer des Sandsacklasters, der dachte sich laut Spiegel dabei nur: „Na ja, ein Leutnant, der darf das ja!“ Vielleicht war er sogar neidisch.