Weiße Magie schon nach 61 Sekunden

Mit zwei Toren zum 5:2 gegen Alavés knüpft Real Madrids berühmter Neuzugang Ronaldo bei seinem Debüt im Bernabeu-Stadion direkt an die weltmeisterlichen Heldentaten an, mit denen er Brasilien zum Titel geführt hatte

MADRID taz ■ Sonntagabend schlendern die Madrilenen gewöhnlich träge über die Avenidas. Weil die Sonne die Stadt auch Anfang Oktober noch heizt, füllen sich die Terrassen der Lokale mit Faulenzern, die mit einem Gläschen dem Wochenende Adios sagen. Doch vergangenen Sonntag gegen Viertel nach sieben störten plötzlich Symptome von Spannung und Nervenkitzel den Müßiggang. Eilig drängten sich die Menschen in die Bars, in denen Fußball lief. Autofahrer parkten in zweiter Reihe und suchten im Laufschritt ebenfalls einen Fernseher. Wochenlang hatten die Medien das Debüt zum Ereignis hochgejazzt, und jetzt stand Ronaldo Luiz Nazário de Lima tatsächlich an der Seitenlinie, drauf und dran, seine silbernen Schuhe auf den Rasen des Bernabeu-Stadions zu setzen. 75.000 Menschen erhoben sich in gespannter Erwartung.

Die ersten Schritte des populärsten Fußballers der Welt für den weltbesten Klub erfolgten unter tosendem Applaus. Das erste Zuspiel von Landsmann Roberto Carlos ließ der 26-jährige Brasilianer abtropfen; dessen zweiten Ball stoppte er mit der Brust, um ihn dann per Seitfallzieher in den Torwinkel zu jagen. Der Neue hatte genau 61 Sekunden benötigt, um weiße Magie zu erzeugen. Am Ende hatte Real Madrid 5:2 gewonnen, und der Brasilianer so begonnen, wie er am 30. Juni in Yokohama aufgehört hatte: mit zwei Toren und als Held des Tages.

Wie nach dem WM-Finalsieg gegen die DFB-Elf strahlte Ronaldo über beide Ohren. „Ich bin glücklich, sehr glücklich“, säuselte er im überfüllten Pressesaal vor 22 Kameras ins Mikrofon, in dieser typischen Mischung aus Schläfrigkeit und Natürlichkeit, die er sich trotz des Rummels bewahrt hat. Nach seiner Ankunft vor einem Monat jonglierte er im neuen Dress für die Fotografen und Kameraleute. Anschließend kickte er den Ball zu den Zuschauern – allerdings nicht, ohne vorher einen Klubangestellten um Erlaubnis zu fragen. Der 45-Millionen-Euro-Mann sorgte sich um eine Plastikkugel für 80 Euro. Auch wegen seiner Ursprünglichkeit lieben ihn die Fans in Spanien. 120.000 Trikots mit der Nummer 11 sind schon verkauft, das hatte sich nicht mal Florentino Pérez erträumt.

Der Sonntag war auch für den Klubpräsidenten ein perfekter Tag. Am Morgen bejubelten ihn die Mitglieder in der Hauptversammlung, dann erzielten seine bahnbrechenden Einkäufe alle Treffer, denn auch Zidane und Figo (2) waren erfolgreich. Solange die Künstler Zaubertore kreieren, stören die naiven Fehler in der Abwehr kaum: Angriff war in Madrid schon immer die beste Verteidigung. Ronaldos Blitzstart feierte Pérez lachend und kopfschüttelnd – bis ihm von hinten die Frau Gemahlin anerkennend in die Wange zwickte. Sein dritter Transfer ist wohl der genialste, schließlich hat er Inter Mailand eine Rückgabegarantie abgeluchst. Sollten die zerbrechlichen Knie Ronaldo wieder lahm legen, müssen ihn die Italiener zurücknehmen.

Doch diesen Fall wollen natürlich alle verhindern. Trainer del Bosque möchte den WM-Torschützenkönig behutsam einbinden, ohnehin hat er ein Überangebot an Weltklassestürmern. Auch heute Abend, wenn das wegen Lichtausfalls unterbrochene Spiel bei Betis Sevilla fortgesetzt wird, ist ein Einsatz von Beginn an zweifelhaft.

„Mir fehlt noch einiges bis zur Bestform“, gesteht der Star, dessen Vorliebe für spanischen Schinken Spuren hinterlassen hat. Wohl eher ein Gerücht, dass er seit der Ankunft drei Kilo abgenommen hat. Ronaldo dürfte also noch öfter Gelegenheit bekommen, die Höhe des Dachs über der Ersatzbank auszumessen. Beim ersten Platznehmen am Sonntag schlug er sich den Kopf an. RALF ITZEL