Nationalistischer Triumph in Bosnien

Serben, Kroaten und Muslime haben bei den Wahlen vom Wochenende einhellig ihre jeweiligen Scharfmacher gewählt – schlechtes Omen für eine Nachkriegsordnung. Ausländische Hoffnungen auf Reformkräfte gedämpft

SARAJEVO taz ■ Katzenjammer bei den internationalen Institutionen, Jubel bei den drei Nationalparteien in Bosnien und Herzegowina, Niedergeschlagenheit bei Sozialdemokraten und Reformparteien – das charakterisierte gestern die Stimmung in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo. Nach der vorläufigen Stimmenauszählung haben die Nationalparteien der Serben, Kroaten und Muslime (Bosniaken) ihre Konkurrenten im eigenen Lager bei den Wahlen vom Wochenende geschlagen.

In der serbischen Teilrepublik Republika Srpska konnte die Serbische Demokratische Partei, gegründet von Radovan Karadžić, fast 50 Prozent der Stimmen erreichen. Lediglich in der Hauptstadt Banja Luka zeigte sich mit dem deutlichen Sieg des als Reformer geltenden ehemaligen Premierministers Milorad Dodik eine andere Tendenz. In den kroatisch dominierten Gebieten setzte sich die Kroatisch-Demokratische Gemeinschaft mit bis zu 70 Prozent der Stimmen glatt durch.

Der Sieg der muslimischen Nationalpartei SDA (Partei der demokratischen Aktion) bildete die größte Überraschung. Nach den vorläufigen Ergebnissen hat die Partei des ehemaligen Präsidenten Alija Izetbegović sogar im bisher von den nichtnationalistischen Parteien dominierten Sarajevo knapp vierzig Prozent der Stimmen errungen, in ländlichen Gebieten weit mehr.

Damit haben Hoffnungen, das Land könnte sich durch den Sieg nichtnationalistischer Reformkäfte normalisieren, einen Dämpfer erhalten. Zwar konnte man immerhin damit zufrieden sein, dass die erstmals von bosnischen Behörden in eigener Regie durchgeführten Wahlen ohne Zwischenfälle verliefen. Erinnert man sich noch an die Wahlen vor vier Jahren, als an die Heimatorte zurückkehrende Flüchtlinge und Vertriebene in den serbischen oder kroatischen Gebieten bedroht wurden, so ist dieser Wahltag sicherlich ein Fortschritt gewesen. Dass aber nur knapp 55 Prozent der Wähler an die Urnen gingen, zeigt auch, dass viele Menschen sich von keiner Partei die Lösung ihrer Probleme erhoffen.

Gerade junge Menschen zeigten sich als Wahlabstinenzler. Die wirtschaftliche Lage, die ihnen kaum Chancen bietet, hat den Wunsch nach Übersiedlung in die EU oder nach Amerika stärker werden lassen. Die nach dem Krieg ausgebildete junge Generation hält nicht viel in einem Land, das keine Zukunft zu haben scheint.

„Die alten Leute sind einfach stur“, sagt Amela Perović, mit muslimischer Mutter und kroatischem Vater zu jenen gehörig, die sich nicht an einen Nationalismus binden wollen, die aber endlich „in einem normalen Land“ leben möchten. Und für sie zählt, dass die Wirtschaft endlich auf die Beine kommt, dass Jobs geschaffen werden. Zur Wahl gegangen ist sie aber nicht.

Dass aber gerade solche Leute nicht die Reformkräfte wie zum Beispiel die Sozialdemokraten ernst genommen haben, müssen diese sich selbst zuschreiben. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Zlatko Lagumdzija, wirkt in der Öffentlichkeit arrogant. „Die Reformer haben nicht die Sprache des Volkes gesprochen“, bedauern auch Analytiker der internationalen Gemeinschaft.

Der Hohe Repräsentant Paddy Ashdown versuchte in seinen ersten Stellungnahmen den Wahlsieg der Nationalisten herunterzuspielen. Es gäbe in allen Parteien Reformer, Pragmatiker und Obstruktionisten, erklärte er gestern erneut. Ja, das Wahlergebnis sei ein „Schrei nach Reformen“, die bisherige Regierung sei nicht schnell genug vorgegangen, deutete er es sogar um. Dahinter steht, dass Ashdown versuchen will, den von den internationalen Institutionen eingeleiteten Reformprozess vor allem in der Wirtschaft und der Justiz auch in der neuen politischen Konstellation durchzusetzen. ERICH RATHFELDER