Eine Kreuzung aus Kraftwerk und Ruine

Im Gegensatz zum einflussreichen Arbeitsministerium sind die Kompetenzen des Wirtschaftsressorts so beschränkt wie sein Etat

BERLIN taz ■ Wir haben ein neues Superministerium – na super. Aber was verändert sich eigentlich, wenn Wirtschafts- und Arbeitsministerium fusionieren? Grünen-Chef Fritz Kuhn tippte gestern erst mal auf „Effizienzgewinne“ bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Das klingt plausibel, schließlich ist der Arbeitsmarkt offensichtlich ein Teil des Wirtschaftslebens. Trotzdem irrt der grüne Chef, denn das Wirtschaftsressort hatte bisher fast nichts mit der Beschäftigungspolitik zu tun. Das liegt auch daran, dass der Wirtschaftsminister sowieso kaum Einfluss hatte.

Die Bedeutungslosigkeit des Ressorts zeigt sich bereits an seinem Etat, der nach bisheriger Planung im nächsten Jahr etwa 6 Milliarden Euro betragen sollte. Davon sind knapp 3 Milliarden Euro für die Steinkohlesubventionen gebucht. Eine weitere Milliarde Euro soll „regionale Wirtschaftsstrukturen“ fördern – vor allem im Osten. Dann sind noch knapp 700 Millionen Euro für die Mittelstandsförderung vorgesehen, und weitere 95 Millionen Euro sollen die Außenwirtschaft stützen. Die Energieforschung erhält schließlich 180 Millionen Euro, und das 100.000-Dächer-Programm wird mit weiteren 255 Millionen Euro bestückt.

Natürlich ist nicht zu leugnen, dass diese Subventionen auch Arbeitsplätze schaffen oder erhalten – aber man sollte die Wirkung nicht übertreiben. Der Wirtschaftsetat mit seinen 6 Milliarden Euro ist beispielsweise lächerlich im Vergleich zu den etwa 255 Milliarden Mark, die allein die gesetzlichen Krankenkassen 2001 umgewälzt haben. 4 Millionen Menschen sind in Gesundheitswesen beschäftigt, und trotzdem wurde noch nie die Idee geäußert, Gesundheits- und Arbeitsministerium zusammenzulegen.

Das Beispiel des Gesundheitsministeriums zeigt es allerdings: Ein Ressort wirkt nicht nur durch seine Etatmittel, sondern auch durch seine Zuständigkeiten. Doch die Kompetenzen des Wirtschaftsministers sind so eingeschränkt wie sein Etat. Das war unter dem legendären Ludwig Erhard zwar noch anders, aber bereits in seiner Amtszeit begann die Erosion: Anfang der 60er-Jahre wurde das Entwicklungshilfeministerium gegründet und übernahm Abteilungen; in den 80er-Jahren bediente sich das neu geschaffene Umweltministerium bei den Zuständigkeiten des Wirtschaftsressorts. Schließlich wechselte die Verbraucherpolitik teilweise ins Landwirtschaftsministerium, als die BSE-Krise im Januar 2001 ihren Höhepunkt erreichte.

Berühmt-berüchtigt war auch der Coup von Exfinanzminister Oskar Lafontaine, der im Herbst 1998 die „Grundsatzabteilung“ des Wirtschaftsressorts okkupierte. Fortan war der Finanzminister für den Jahreswirtschaftsbericht und den Sachverständigenrat zuständig; Wirtschaftsminister Werner Müller blieb nur, einen „Wirtschaftsbericht“ zu erfinden. Doch diese bunte Broschüre gab allein seine persönliche Meinung wider, die im Übrigen rasch wechselte. Hatte er sich im Sommer 2000 den Aufschwung noch von den Dotcom-Firmen des neuen Markts erhofft, so erwartete er sich das gleiche Wunder zwei Jahre später vom Export.

Eigentlich fällt der Wirtschaftsminister nur noch durch eine Kompetenz auf: Per „Ministererlaubnis“ darf er ein Fusionsverbot des Kartellamts aufheben. Dies ist überhaupt nur siebenmal in der bundesdeutschen Geschichte passiert, aber die jüngste Entscheidung in der Amtszeit Müller war prompt heftig umstritten: Inzwischen beschäftigt es die Gerichte, ob der Stromkonzern E.ON Ruhrgas übernehmen darf.

Das Wirtschaftsministerium ist schon jetzt ein Torso, doch selbst diese Restkompetenzen wird der neue Superminister Wolfgang Clement wohl nicht vollständig übernehmen können. Es ist zu erwarten, dass sich vorher noch das Umwelt- und das Verbraucherministerium bedienen. Schließlich werden die Grünen wahrscheinlich auf einen vierten Ministerposten verzichten, aber sie wollen natürlich den Stimmenzuwachs honoriert sehen, den sie in die neue rot-grüne Koalition einbringen.

Kurz: Um das Wirtschaftsressort ist es nicht schade. Wolfgang Clement wird ein Arbeitsminister sein und sich mit dem Titel „Superminister“ schmücken.

ULRIKE HERRMANN