Versorgungsgesellschaft
: Postengeschacher in Fishtown

Meine Tante, deine Tante

Nach dem Prinzip „Meine Tante, deine Tante“ ist jetzt ein großkoalitionäres Koppelgeschäft in Bremerhaven vollzogen worden – zwei hochdotierte Posten wurden an prominente Parteimänner vergeben. Mit honeckeresker Mehrheit wurde der 62-jährige Bremerhavener CDU-Chef J. Henry Wilhelms so zum zweiten Geschäftsführer der Bremerhavener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (BVV) berufen. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft unter Vorsitz des Bremerhavener Oberbürgermeisters Jörg Schulz (SPD) beschloss es so.

Die BVV ist eine Holding. Zu ihr gehören die stark defizitäre Verkehrsgesellschaft (VGB), die Weserfähre und die Bremerhavener Bäderbetriebe. Das Ergebnis der Aufsichtsratssitzug ist zumindest erstaunlich. Denn bis unmittelbar vor Beginn der Sitzung galt eine Ablehnung der Personalie durch die Arbeitnehmerschaft des Gremiums als sicher. Ein Patt, sogar eine Ablehnung wäre möglich gewesen. Es gebe überhaupt keinen Grund, einen zweiten Geschäftsführer zu berufen, hatte Verdi-Mann und BVV-Aufsichtsrat Volker Leineweber immer wieder gesagt. Dass Wilhelms von den Arbeitnehmern abgelehnt würde, sagte er sogar noch eine Stunde vor Sitzungsbeginn. Doch OB Schulz setzte alles dran, den Vorsitzenden des Koalitionspartners auf den hoch dotierten Posten zu heben. Die Arbeitnehmer wurden mit einer Verlängerung des Tarifvertrags zur sozialen Absicherung der Beschäftigten von 2008 bis ins Jahr 2016 geködert. Hans-Richard Wenzel, Fraktionschef der Grünen in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung und auch Aufsichtsrat der BVV, vergisst deshalb alle Diplomatie: „Die Arbeitnehmerseite hat sich kaufen lassen.“ Dreist sei es, in der Öffentlichkeit auch noch über den Kaufpreis, nämlich die Tarifvertragsverlängerung, zu sprechen. „Der Aufsichtrat hat gesetzeswidrig gehandelt.“

Für Schulz und den Magistrat macht sich die Personalie Wilhelms jedoch direkt bezahlt. Denn jetzt ist der Weg frei, den seit Februar verwaisten Posten des Magistratsdirektors neu zu besetzen. Schulz‘ Wunschkandidat wurde gestern vom Magistrat angenommen. Es ist der ehemalige Rechtsamtsleiter und jetzige Landtagsabgeordnete Ulrich Freitag (SPD). Wäre Wilhelms bei der BVV durchgefallen, hätte die Seestadt-CDU den Genossen Freitag im Gegenzug verhindert – wie im Koalitionsvertrag geregelt. Die Stelle wird nach B4 besoldet. Zum Vergleich: Ein Oberbürgermeister erhält B8, sein Vertreter B7, ein normaler Dezernent B6. Der Magistrat streitet das „Koppelgeschäft“ natürlich ab. Dass sich die Besetzung der BVV-Geschäftsführung und des Magistratsdirektorenpostens Tag auf Tag ereigneten, sei „Zufall“, so ein Sprecher. Der Posten sei zu lange vakant gewesen. Auch das Parteibuch des Kandidaten habe nichts mit der Wahl zu tun – allein die Qualifikation Freitags. “Eine Farce“ nennt Hans-Richard Wenzel die Entscheidung: „Das war doch schon seit Monaten klar. „Ein Magistratsdirektor wiegt zwei Geschäftsführer“. Philipp Jahn