american pie
: Die Football-Show von St. Louis ist vorbei

Eine Spirale des Unglücks

Als die St. Louis Rams im Januar nach nur zwei Saisonniederlagen schnurstracks in die Super Bowl stürmten, galten sie als das brillanteste Team, welches der American Football seit langem gesehen hatte. Inzwischen jedoch hat sich die „Greatest Show on Turf“ mit ihren Stars Kurt Warner und Marshall Faulk in eine der phänomenalsten Pleiten seit Erfindung des Touchdowns verwandelt. Fünfmal sind die Rams in dieser Saison angetreten, fünfmal haben sie verloren, nachdem zuvor auch alle vier Vorbereitungsspiele in die Binsen gegangen waren. Die einst unwiderstehliche Offense liegt in Trümmern – ob mit Quarterback Warner oder, seit er sich in Partie vier gegen Dallas den kleinen Finger verletzte, ohne ihn – die Defense ist ein Bild des Jammers.

Und es geht weiter bergab. Hatte St. Louis in den ersten vier Matches wenigstens noch Siegchancen gehabt, versagte das Team am Sonntag beim 13:37 gegen San Francisco komplett. Die 49ers hatten sie zuletzt sechsmal besiegt, doch der Respekt ist dahin. „Wer hat schon mal gegen die Rams gewonnen“, fragte 49ers-Coach Steve Mariucci seine Leute vor der Partie. „Es waren nicht viele, die aufstanden.“ Dies sei ihre Chance, machte Mariucci den Spielern klar, und Quarterback Jeff Garcia zeigte nach dem Sieg wenig Mitleid: „Sie sind momentan in einer schwierigen Situation und wir wollten ihnen keine Luft zum Atmen geben.“

Die Atemnot könnte am Wochenende noch größer werden, wenn die Rams gegen die bislang ungeschlagenen Oakland Raiders antreten – das erste Mal seit vielen Jahren, dass sie im eigenen Stadion krasser Außenseiter sind. Die Hoffnungen auf ein Happy End in dieser Saison haben sich ohnehin fast erledigt. Noch nie hat ein NFL-Team nach einem 0:5-Start die Play-offs erreicht. Insofern klingt die Einschätzung des Cheftrainers Mike Martz nach der Pleite gegen San Francisco wie ein schwerer Euphemismus: „Das war ein Schritt zurück.“

Was den offenkundigen Zusammenbruch seines Teams betrifft, ist Martz ziemlich ratlos. Der Coach kann nicht einmal den Ausfall von Kurt Warner für die Misere verantwortlich machen, denn der formschwache Quarterback stand ohnehin vor der Verbannung auf die Bank. Symptomatisch indes, dass sich Ersatzmann Jamie Martin, der zuvor in seiner zehnjährigen NFL-Karriere erst einmal von Beginn an gespielt hatte, mit zwei abgefangenen Pässen einführte, welche die 49ers in zehn Punkte verwandelten. Der erste Touchdown-Pass gelang Martin eine Minute vor Schluss.

„Wir sind einfach bei manchen Dingen falsch positioniert, verlieren etwas die Kontrolle. Es geht um fundamentalen Football“, analysiert Mike Martz. „Die Spieler sind da, aber sie verpassen das Tackling.“ In der Tat eines der fundamentalsten Dinge beim Football. Hinzu kommen Defizite in allen Bereichen. Die Pässe von Kurt Warner ließen die gewohnte Präzision vermissen, die Läufe von Marshall Faulk sind nicht mehr so unwiderstehlich, Kicker Jeff Wilkins verpasst wichtige Field-Goals und auch Martz selbst, der vor der Saison einen neuen Fünfjahresvertrag für 15 Millionen Dollar erhielt, hat einige Coaching-Fehler eingeräumt. „Wir werden noch viele Mike-Martz-Jahre in St. Louis haben, versucht Klubpräsident John Shaw einsetzende Spekulationen um den Coach im Keim zu ersticken.

Die überraschende Niederlage in der Super Bowl gegen die New England Patriots mag bei den Rams niemand als Grund für die derangierte Psyche akzeptieren. Stattdessen bemüht Martz eine Art Spirale des Unglücks: „Wer Angst hat, Fehler zu begehen, begeht Fehler“, erläutert der Coach, beharrt jedoch: „Ich glaube an das, was wir tun.“ Manche Beobachter denken hingegen, dass die Zeit der Rams schlicht vorbei ist. Einige Spieler der zweiten Reihe haben das Team verlassen, und Hall-of-Fame-Coach Marc Levy fühlt sich an seine große Zeit in Buffalo erinnert: „Wir verloren zwei, drei Leute, aber waren immer noch ein verdammt gutes Team. Dann verloren wir noch zwei, drei, und es begann sich auszuwirken.“ Gut möglich, dass die Greatest Show on Turf künftig anderswo gastiert.

MATTI LIESKE