Tote Hose in der Fifth Avenue

Die Deutsche Bank kauft Kirchs 40 Springer-Prozente. Dabei gehörten sie ihr schon längst als Pfand für einen Kredit

FRANKFURT/M. taz ■ Die vorerst letzte Folge eines Wirtschaftskrimis ging gestern mit dem langweiligsten Videofilm der Saison zu Ende. Aufregung und Streit zwischen Verlegerwitwe und ungeliebtem Großaktionär – über zehn lange Jahre hatten Friede Springer und Leo Kirch den Unterhaltungswert im Springer-Aufsichtsrat erhöht. Und das alles läpperte aus mit dem Blick auf ein Dutzend Hinterköpfe, gnadenlos von schräg oben gefilmt und übertragen in den Presseraum des Hilton-Hotels. Die Bieterrunde selbst saß zur Auktion im Raum „Fifth Avenue“. Nebenan lauerten die Beobachter der Bank of America in „Wall Street“, Warner Bros. hatte „Broadway“ bezogen, UBS Private Banking „Soho“, „Downtown“ blieb leer. Um 11.12 Uhr bot Notar Karl-Heinz Schmiegelt, ein Mann mit tiefen Magenfalten, 40 Prozent der Springer-Aktien feil. Und dann geschah erst mal gar nichts mehr.

Denn das Angebot hatte keinen solventen Überraschungsgast angelockt. Einziger anwesender Bieter: die Deutsche Bank selbst, bei der die Aktien bereits als Pfand für einen 720-Millionen-Euro-Kredit an Kirch liegen.

Der bis dahin zweite Interessent am Gesamtpaket, die Schweizer Ringier-Gruppe, war wegen berechtigter Angst vor einer unfreundlichen Vereinnahmung durch den größeren Springer-Konzern ausgestiegen.

Schmiegelt rief zur Solvenzprüfung der anwesenden Bieter auf. Null Reaktion im Saal, die großen weißen Schilder mit der blauen Schrift „Bieter“ waren draußen vor der Tür geblieben: „Wie ich sehe, wenn ich recht sehe, ist außer der Deutschen Bank AG niemand hier, der als Bieter in Betracht käme“, stellte der Notar fest. Und dann war eine Stunde Zeit, bis der Tageskurs der Aktien feststand, die nicht zum Festpreis verkauft werden durften. Insgesamt umfasste das Paket in der ersten Tranche, das hatte Schmiegelt zuvor der gesetzlich vorgeschriebenen Form wegen ein rundes Dutzend Mal wiederholen müssen: „Einemillionzweihundertsiebzehnneunhundertvinkuliertenamensaktienmitderwertpapierkennnummer …“ In der zweiten sind die 3.400.000 Papiere zusammengefasst, auf deren Tagesform fortan bei gedämpfter Musik herumgelungert werden durfte.

12.44 Uhr: Schmiegelt knickt sich auf seinem kleinen Stuhl zurecht. Neun Minuten später ist alles vorbei. Der Tageskurs beträgt „Euro 49 glatt“, macht für alle Aktien zusammen ein Mindestgebot von „Euro 667.277.100“. Zwei Deutschbanker in der mittleren Reihe heben die Hände halbhoch. Zuschlag, Schluss und aus. Der Deutschen Bank gehören 40 Prozent am größten Zeitungsverlag Europas. Auf den zur Kreditsumme fehlenden restlichen gut 50 Millionen Euro bleibt sie sitzen. Und will nun weiterverkaufen: Zehn Prozent, hies es gestern, nimmt Friede Springer. HEIDE PLATEN

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