Baseball spannender als Bush

Mit seiner Rede am Jahrestag der ersten US-Luftangriffe auf Afghanistan wollte der Präsident eine breite Kongressmehrheitfür einen Irakkrieg sichern. Dazu bemühte er auch wieder angebliche Verbindungen zwischen Bagdad und der al-Qaida

aus Washington MICHAEL STRECK

Ausgerechnet Cincinnati und ein alter Bahnhof mussten für die Irakrede von US-Präsident George W. Bush herhalten, jetzt, wenige Tage bevor der Kongress über eine Irakresolution abstimmen wird, die ihm weit gehende Vollmachten für einen Militäreinsatz verleihen soll und auf den Tag genau ein Jahr nachdem die Luftangriffe auf Afghanistan begannen.

Die Kulisse des alten Bahnhofes, von dem aus während des Zweiten Weltkrieges US-Soldaten an die Front nach Europa aufgebrochen waren, sollte die Entschlossenheit der US-Regierung zeigen, erneut in den Krieg zu ziehen. Im Saal saßen rund 500 ausgewählte Gäste, die nach markigen Sätzen eifrig klatschten. Draußen protestierten hunderte Menschen gegen Bushs Irakpolitik. Dies wurde dem Fernsehvolk jedoch nicht zugemutet. Ohnehin übertrugen die drei großen TV-Anstalten die Rede nicht. Baseball hatte Vorrang.

Die Zuschauer hätten auch nur wenig Neues gehört. Zwar versuchte Bush, die immer wieder konstruierte Verbindung zwischen Irak und Terrorgruppen dadurch zu konkretisieren, dass er behauptete, ein hochrangiges Al-Qaida-Mitglied sei in diesem Jahr in Bagdad medizinisch behandelt worden. Doch neue Beweise für eine akute Bedrohung durch den Irak wusste Bush nicht vorzulegen.

Auffallend waren rhetorische Differenzen zu seinem oft vereinfachten und martialen Sprachgebrauch und Akzentverschiebungen, die für die Debatte im Kongress und UN-Sicherheitsrat bedeutsam sein könnten. Bush vermied den Begriff des „Regimewechsels“ im Irak, legte stattdessen den Schwerpunkt auf die Entwaffnung des Landes.

Wackelkandidaten im Kongress versuchte der Präsident durch die Zusage zu gewinnen, das angestrebte Kongressmandat solle UN-Resolutionen durchsetzen helfen. Bei vollständiger Entwaffnung des Irak sei „Krieg nicht unvermeidbar“. Hier hoben sich die Augenbrauen der Zuhörer dann doch.

Auffallend war, was Bush nicht sagte. Weder wurde Israel aufgefordert, sich aus einem möglichen Konflikt mit dem Irak herauszuhalten, noch erklärte er, warum Saddam Hussein, obwohl er bereits so lange biologische und chemische Waffen besitzt, diese nicht gegen US-Verbündete eingesetzt hat und ausgerechnet jetzt zu dem gefährlichen Monster geworden ist.

So konnte Bush offenbar nicht alle Skeptiker im US-Parlament überzeugen. Nancy Pelosi, Demokratin aus Kalifornien und erklärte Kriegsgegnerin, versteht nicht, warum die Gefahr durch den Irak so akut sein soll, wenn sich noch nicht einmal seine Nachbarn bedroht fühlten. Sie vertritt im Kongress jene Fraktion, die die irakische Abrüstung als vordergründige Aufgabe der UN ansehen. Erst wenn alle diplomatischen Mittel genutzt worden seien und die Inspektionen erneut fehlschlagen würden, solle der Kongress den Präsident zu weiterem Handeln ermächtigen.

Dennoch zeichnet sich bereits jetzt ab, dass Bush am Ende eine solide Kongressmehrheit und die gewünschte Erlaubnis für einen Krieg gegen den Irak erhalten wird. Die Kritik der Republikaner ist fast verstummt. Die Demokraten sind gespalten, nachdem führende Köpfe ihren Widerstand aufgegeben haben. Die wenigen Abgeordneten und Senatoren, die noch murren, werden nicht ausreichen, die Resolution zu verhindern oder entscheidend zu ändern.