Telekom kappt die Belegschaft

Nun schon mindestens 50.000 Entlassungen bis 2005 angepeilt, vor allem in der Festnetzsparte. Gewerkschaften protestieren gegen Kündigungen und Abschiebung in Frührente und Personalvermittlungen. Der Kündigungsschutz läuft bald aus

von REINER METZGER

Die Deutsche Telekom AG vermindert ihre Belegschaft noch schneller als bisher bekannt. Knapp 50.000, vielleicht sogar 55.000 Stellen werden bis Ende 2005 abgebaut. Das bestätigte der Konzern am Dienstag. Bei einer derzeitigen Beschäftigtenzahl von gut 250.000 ist das in etwa jeder Fünfte.

Dass angesichts der Aktienkrise im Telekomsektor, überteuerter Firmenkäufe vor allem im Mobilbereich und einem Schuldenberg von derzeit 64,2 Milliarden Euro die Belegschaft bluten muss, war schon länger klar. So verkündete der Telekom-Vorstand am 2. Oktober unter der Überschrift „weitere Schritte zur Effizienzsteigerung“, dass bei der Festnetzsparte T-Com 29.500 Leute gehen müssen. Nun kommen auch in den anderen Bereichen des Konzerns jeweils Tausende hinzu: Bei den ausländischen Töchtern, vor allem in Ungarn, der Slowakei und Kroatien, wird 11.000 gekündigt. In der Konzernholding 2.400, bei der Immobilienverwaltung DT Immo 2.400.

Auch Bereiche, die bisher expandierten, werden nun schrumpfen: Der Handybereich T-Mobile wird 1.000 Stellen abbauen, die Software- und Dienstleistungstochter T-Systems wohl 3.500 – was aber offiziell noch nicht beschlossene Sache ist.

Der Abbau bei den beiden letztgenannten Bereichen ist für die Belegschaft besonders überraschend und bitter. Diese Sparten sollten nämlich nach ursprünglicher Planung knapp ein Viertel der bei T-Com zu Entlassenden aufnehmen, weil sie bisher ständig expandiert haben.

Schwierigkeiten könnten die Telekom-Personalchefs vor allem mit der Geschichte des Konzerns bekommen: Als ehemalige Staatsangestellte sind viele Beschäftigte unkündbar. Bei der Festnetztochter T-Com mit ihren 120.000 Angestellten und Beamten gilt noch ein bei der Privatisierung vereinbarter Kündigungsschutz bis ins Jahr 2004. Bisher konnte die Telekom bei ihrem schon Jahre andauernden Personalabbau Kündigungen in großem Stil vermeiden. Das wird nun anders.

Die Hälfte der abzubauenden Stellen soll sofort von den Sozialsystemen aufgefangen werden: über Kündigungen, Frühpensionierungen, Altersteilzeit, Frühpensionierungen und – besonders apart – Dienstunfähigkeit. Die andere Hälfte soll von einer Personal-Serviceagentur, wie von der Hartz-Kommission zur Abreitsmarktreform ins Gespräch gebracht, übernommen werden. Diese Agentur soll die Beschäftigten innerhalb des Konzerns vermitteln, bei anderen Staatsunternehmen unterbringen oder sonstwie weiterreichen. Wie das angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage funktioniert, ist schwer einzuschätzen.

Was das Ganze einspart, will angesichts dieser Unklarheiten niemand sagen. Josef Brauner, Chef der Festnetzsparte, rechnet laut der Zeitung Die Welt in seinem Bereich mit 400 Millionen Euro. Schließlich wird er den Löwenanteil abbauen.

Die Telekom-Spitze unter dem Interims-Vorstandschef Helmut Sihler will anscheinend die schlimmsten Grausamkeiten begehen, bevor der neue Chef gekürt ist. Sie stößt mit ihrem Sanierungskurs auf den massiven Widerstand der Arbeitnehmervertreter: Betriebsrat und Gewerkschaft wollen sich gegen die geplante Streichung von rund 50.000 Stellen zur Wehr setzen. „Bei der Aufsichtsratssitzung am 30. Oktober wird es von unserer Seite heftige Diskussionen geben“, sagte ein Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di gestern in Berlin. Auch der Gesamtbetriebsrat lehnt die geplanten Kürzungen als „völlig überzogen“ ab. Sparen allein vermittele keine Zukunftsperspektive, erklärte Betriebsratsvize Rainer Röll in Bonn. (mit AFP)