Kaschmir überrascht

Bei den Regionalwahlen im indischen Teil Kaschmirs wird die ewige Regierungspartei sehr deutlich abgestraft

DELHI taz ■ Im indischen Bundesstaat Jammu & Kaschmir hat die regierende „National Conference“ überraschend die Wahlen verloren. Gewinner ist die „Kongress-Partei“ sowie die junge regionale „People's Democratic Party“ (PDP). Die National Conference bleibt mit 28 von 87 Sitzen aber größte Partei in der Provinzversammlung. Die beiden Gewinner mit je 20 und 15 Sitzen werden für eine Mehrheit nicht nur eine Koalition miteinander bilden müssen, sondern sind auch auf Kleinparteien und Unabhängige angewiesen.

Die politische Niederlage der National Conference ist jedoch größer, als dies die Mandate ausdrücken. Es ist das erste Mal in den siebzig Jahren, seitdem in Kaschmir Wahlen stattfinden, dass diese Partei in die Opposition muss. Ihr 32-jähriger Führer Omar Abdullah verlor zudem den „Familiensitz“. Omar, der die Partei erst vor wenigen Monaten übernommen hatte, ist jüngster Spross der Abdullah-Dynastie. Sie dominierte die Partei und die Region seit Beginn. Die National Conference verfügte in der letzten Versammlung noch eine Zweidrittelmehrheit.

Die großen Gewinne der Kleinparteien und der vielen Unabhängigen wurden allesamt gegen Kandidaten der National Conference erzielt, von denen die meisten bereits Abgeordnete waren. Die Führer der Kongress-Partei und der PDP, Ghulam Nabi Azad und Mufti Sayeed, sahen im Resultat daher ein klares Mandat gegen die alte Regierung. Die thematische Plattform ihres siegreichen Wahlkampfs war die Korruption und Misswirtschaft der Abdullah-Partei gewesen, die sich im Schutz der drakonischen Bürgerkriegsgesetze bereichert hatte, statt sich der Alltagsprobleme der Bevölkerung anzunehmen.

Die National Conference hatte versucht, die weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Forderung nach mehr Autonomie aufzufangen. Dies war wenig glaubwürdig, hatte die Partei doch in den drei Jahren ihrer Teilnahme in der von der hindunationalistischen BJP geführten Koalition in Delhi für den Jammu und Kaschmir wenig erreicht. Auch die jetzt siegreichen Parteien verfolgten eine autonomistische Linie innerhalb der indischen Republik.

Die separatistische „Hurriyat-Konferenz“ ist im Parlament nicht vertreten, da sie die Wahl boykottierte. Die Niederlage der Regierungspartei stärkt den Anspruch der Regierung in Delhi, dass die Wahlen im Ganzen fair und frei waren. Militante Separatisten hatten mit zahlreichen Attentaten – sie forderten über 500 Opfer – versucht, die Wähler vom Urnengang abzuhalten. Mit einer vergleichsweise hohen Wahlbeteiligung von 46 Prozent wurde dieses Ziel aber verfehlt.

BERNARD IMHASLY