h.g. hollein Morgenstund

Die Frau, mit der ich lebe, hat besondere Fähigkeiten. Sie kann sechs halbe Weizenbier trinken, ohne zu rülpsen, Zigaretten stangenweise verschwinden lassen und angesichts eines Rudels von 400-Euro-Designer-Stühlen befinden: „Sind die niedlich! Von denen nehmen wir einen, ja?“ Seit ich sie kenne nicht gegeben hingegen ist es ihr, aus eigenem Vermögen zu erwachen. Die Gefährtin liegt morgens – pardon – wie Blei im Bett. Da kann man säuseln, rütteln oder knuffen, mehr als ein unwilliges Knurren ist dem verantwortungsbewussten Weckdienst noch nie zuteil geworden. Damit einher geht eine nicht unerhebliche Schuldbeladenheit, muss doch auch die Gefährtin ihr Tagwerk termingerecht beginnen. Was sich bei drohender Zuwiderhandlung regelmäßig in der Frage niederschlägt: „Wofür hab‘ ich dich schließlich?“ So die Gefährtin denn tatsächlich erwacht ist. Mithin, es gibt da Möglichkeiten. Eine davon ist die Hamburg-Welle des NDR. Meine Karaoke-Version von Godewinds „Min Gott, hej kann keen Plattdütsch mehr, und hej versteit uns nich“ ist in ihrer atonalen Modernität unübertroffen und zweifelsohne geeignet, selbst die müdeste Frau zu erwecken. Und so torkelt die Gefährtin dann – dumpf stöhnend „Der Horror! Der Horror!“ – Richtung Bad. Ich finde diese Reaktion ja ein bisschen überspannt, um nicht zu sagen undankbar. Aber vielleicht ändert sich das ja bald. Ali, der Gefährte der Schwester der Gefährtin, hat mich auf einen allerliebsten Wecker in Moscheeform aufmerksam gemacht, dessen Muezzinruf zumindest bei der Schwester der Gefährtin wahre Wunder bewirken soll.