Völlig neu planen

Handlungsperspektiven für eine soziale, ökonomische und ökologische Stadt: Jahrestagung der deutschen Geographen in Hamburg mit Empfehlungen für Hamburg

Es sei höchste Zeit für StadtplanerInnen, völlig neu zu denken. Der „demographische Umbruch“ in Deutschland und vor allem in Metropolen und Stadtstaaten wie Hamburg erfordere „neue Konzepte und neue Planungsinstrumente“, meint der Deutsche Verband für angewandte Geographie (DVAG). Auf seiner gestern begonnenen und bis Sonntag andauernden Jahrestagung in der Hansestadt diskutiert der größte europäische Verband dieser Sparte eine Reihe von „Handlungsperspektiven und Handlungstrategien“ für PolitikerInnen und Fachleute.

Dabei gedenken sich die mehr als 100 ExpertInnen aus Stadtplanung, Immobilienwirtschaft, Verkehrsplanung und Umweltschutz aus ganz Deutschland keineswegs im Elfenbeinturm aufzuhalten. In einem Grundlagenpapier werden konkrete und kurzfristige Empfehlungen an die Politik formuliert: die sozialverträgliche Umgestaltung innerstädtischer Quartiere, die Abschaffung der Eigenheimförderung oder eine ökologische Ausgestaltung der Entfernungspauschalen für Pendler sind gerade auch Thema der rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Berlin.

Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland von derzeit 82 Millionen Menschen auf 65 bis 70 Millionen im Jahr 2050 sowie die Überalterung der Gesellschaft seien „nicht mehr aufzuhaltende Phänome“, heißt es in dem Tagungspapier. Diese führten zu einer zweigleisigen Entwicklung: „Boom-Regionen werden Entleerungsregionen gegenüberstehen.“ Während dieser Trend der Abwanderung ins Umland in Hamburg seit einigen Jahren gestoppt sei, würden in vielen anderen Regionen Deutschlands die kreisfreien Städte schrumpfen und deren Umland wachsen.

Eine der wesentlichsten Folgen dieser „Suburbanisierung“ ist der Flächenverbrauch. So hat allein in Hamburg die Siedlungs- und Verkehrsdichte zwischen 1996 und 2000 um mehr als 4 Prozent zugenommen: Sinkende oder stagnierende Bevölkerungsgzahlen, warnt deshalb der DVAG, „führen nicht automatisch zu flächensparendem Städtebau“. Deshalb müssten genau an diesem Punkt „Planer und Politiker mit neuen Konzepten“ aufwarten.

Ein wesentliches Ziel müsse es sein, frei werdende Gewerbeflächen in der Stadt für Zwecke zu nutzen, „die bislang wegen zu geringer Renditeerwartungen an den Stadtrand verdrängt“ wurden: gering verdichtete, aufgelockerte Wohnquartiere sowie Grün- und Freiflächen statt monotoner Büro- und Gewerbebauten könnten den Weg zu einer „sozialen, ökonomischen und ökologischen“ Weiterentwicklung von Stadt weisen, so der DVAG.

Klare Worte, die gerade in Hamburg vonnöten sind. Nach Fertigstellung der öden City-Süd wird hier gerade kräftig an einer Verschandelung des nördlichen Elbufers zwischen Fischmarkt und Övelgönne mit gigantomanen Büroklötzen gewerkelt. Und auch die bisherigen Planungen für die Hafen-City lassen keinerlei „neues Denken“ erahnen. SVEN-MICHAEL VEIT