Konstrukten auf der Spur

Männer, Frauen und andere Geschlechter: Dieses Semester beginnen die hochschulübergreifenden „Gender Studies“ als Master und als Nebenfach

von BIRTE GOLDT

„Man kommt nicht als Frau zur Welt, sondern wird es“, erkannte die französische Schriftstellerin Simone de Beauvoir schon im Jahre 1949. Doch brauchte es ein halbes Jahrhundert, bis die Analyse der Kategorie Geschlecht und seiner Folgen als Studiengang an europäischen Universitäten Fuß fassen konnte. Jetzt ist es auch in Hamburg soweit: ab diesem Semester können Gender Studies als eigenes Fach studiert werden.

Nach jahrelanger Planung läuft das hochschulübergreifende Studienprogramm an, das sich mit der Teilung der Menschheit in zwei Gruppen beschäftigt. Gender Studies untersuchen, wie soziale Strukturen, Machtverhältnisse, Wissensproduktion und Kultur durch die Unterscheidung von Mann und Frau beeinflusst, und wo Korrekturen notwendig sind.

Auf die Frage nach dem praktischen Nutzen des Studiums antwortet die Planerin des Studienprojekts Martina Spirgatis: „Gender-Wissen kann man auf unterschiedlichste Fächer anwenden, es ist eine Frage der Kombination.“ Bei den Geistes- und Sozialwissenschaften ist der Bezug offensichtlich, in vielen dieser Fächern finden seit Jahren Seminare zu Gender-Fragen statt. Doch auch Recht und Ökonomie sind als gesellschaftliche Teilbereiche an der Herstellung von sozialen Normen, Ordnungen und Denkmustern wie etwa der Zweigeschlechtlichkeit beteiligt.

Selbst Naturwissenschaften sind laut Spirgatis von der Gender-Frage beeinflusst: „Warum sind Frauen in diversen Fächern nicht vertreten? Haben wissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten etwas mit Geschlecht zu tun?“

Die Hamburger Gender Studies würden sich „von allen bisherigen Studiengängen unterscheiden“, erklärt Spirgatis das Besondere am Studienprogramm. Da acht Hochschulen beteiligt sind, wäre es wenig sinnvoll gewesen, daraus einen einzigen Studiengang zu machen. Deshalb beginnt das Projekt mit zwei verschiedenen Angeboten, zunächst an der Uni und an der HWP. Im praxisorientierten Masterstudiengang „Gender und Arbeit“ der HWP geht es vor allem um die Rolle von Geschlecht bei der Organisation von Arbeit. „Im Bereich von Theorie und Methode nutzt der Master auch das Angebot der Uni“, so Spirgatis.

Die Uni bietet das Nebenfach „Gender Studies“ für Magister- und Diplomstudiengänge an, welches der Akademische Senat im September genehmigt hat. Dessen eher theoretische Ausrichtung „vermittelt eine sehr breite Genderkompetenz“, so Spirgatis.

Im Zentrum der „Queer Studies“ steht die Dekonstruktion der weit verbreiteten Vorstellung, dass es nur zwei Geschlechter gäbe, die sich „natürlich“ gegenseitig begehren würden. Für diesen Schwerpunkt im Hamburger Studienprojekt hat sich besonders die studentische AG Queer Studies eingesetzt. Dafür wird es auch die bundesweit erste Professur für Queer Theory geben, für die noch Berufungsverhandlungen laufen. Die amerikanische Vordenkerin der Queer Theory Judith Butler entdeckte die „heterosexuelle Matrix“ als gesellschaftsstrukturierendes Prinzip. Allerdings ist „Queer“ nicht ein Synonym für schwul/lesbisch, wofür das Wort manchmal benutzt wird, sondern beschreibt eine Opposition zu herrschenden sexuellen Normen, auf politischer wie theoretischer Ebene. So haben auch Intersexen, Transgender oder Bisexuelle als Teil der Queer-Bewegung zur Entwicklung dieser Theorie beigetragen.

Ein zentraler Bestandteil der Gender Studies ist es, Subjekte und Machtverhältnisse neu zu denken. Es gehe eben darum, „das Gelernte in Frage zu stellen“, meint Spirgatis.