Modell auf der Kippe

Wissenschaftssenator will Uni per Gesetz zur Akkreditierung aller Bachelor-Studiengänge zwingen. Damit steht das Hamburger Modell vor dem Aus

„Ein Bachelor nach KMK-Vorgaben erfordert den dreifachen Aufwand“

von KAIJA KUTTER

In einer Rede vor der Universitätsgesellschaft im Februar beschrieb Wissenschaftssenator Jörg Dräger den Weg einer Studentin im Jahr 2012. Diese arbeitet nach ihrem Bachelor in Naturwissenschaft als Analystin in einer großen Firma. Nach ein paar Jahren Praxis kehrt die Frau für ein Masterstudium an die Uni zurück. Dräger: „Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten.“

Diese Vision lässt ahnen, dass ein Masterstudium künftig Geld kosten darf, wenn es nach dem parteilosen Senator geht. Anlass für Asta-Hochschulreferent Christian Schomann, das bestehende „Hamburger Modell“ eines „integrierten“ Bachelors zu verteidigen, das diesen frühen Abschluss nach sechs Semestern freiwillig anbietet, aber allen Studierenden ebenso die Fortsetzung des Studiums bis zum Master offenhält. Ein Modell, das seit Ende der 90er die Informatik, die Mathematik und die Sprachwissenschaften anbieten und an dem laut Uni-Evaluationsbeauftragter Karin Fischer-Bluhm ein „gewisses Interesse“ besteht, „sonst hätten nicht seither 200 Leute diesen Abschluss gemacht“.

Doch mit dem neuen Hochschulgesetz von Jörg Dräger, das die Schaffung von BA- und MA-Studiengängen vorschreibt, steht das „Hamburger Modell“ zur Disposition. „Wir bevorzugen ganz klar den nicht-integrierten Abschluss“, sagt Drägers Sprecherin Sabine Neumann. Das neue Gesetz lasse den integrierten Abschluss zwar zu. Es zwingt die Uni aber zugleich, neue Studiengänge akkreditieren zu lassen.

Ein solches Zertifikat wird von Agenturen vergeben, die vom „Akkreditierungsrat“ der Kultusministerkonferenz (KMK) in Bonn ihre Vorgaben bekommen. „Das integrierte Modell in Hamburg ist ein Problem“, sagt dessen Sprecherin Angelika Schade. Der BA, für den die Kultusministerkonferenz 1999 Strukturvorgaben entwickelte, sei als „Berufsqualifizierung“ gedacht und dürfe „kein Abbrecherzertifikat“ sein. Schade fürchtet „Etikettenschwindel“, will sich aber demnächst von der Hamburger Uni das Modell erklären lassen, „damit wir es besser verstehen“.

Voraussetzung für das Siegel sei neben einem Leistungspunktesystem und der Modularisierung des Studiums besagte Abgeschlossenheit des Bachelors. Schade: „Mit der Reform war angedacht, dass das Studium danach nicht automatisch weitergeht.“ Zum Masterstudium müsse es eine Neuzulassung geben. Ziel dieser Abtrennung sei eine größere „Mobilität“ und „Vielfalt“ an den Hochschulen. Schade: „Auch ein Wechsel zwischen Fachhochschule und Uni sollte möglich sein.“ Mit Gebührenplänen habe dies nichts zu tun.

Uni-Evaluations-Expertin Karin Fischer-Bluhm bezeichnet die strenge Auslegung der KMK-Vorgaben dagegen als „kontraproduktiv“, weil dies verhindere, dass der Bachelor überhaupt weitere Verbreitung findet. Zwar gebe es bundesweit inzwischen rund 1000 Studiengänge mit BA/MA-Zertifikat, doch erfassen diese nur 2 Prozent der Studierenden. „Das weist darauf hin, dass dies dort eingerichtet wird, wo Studierende fehlen“, und es sich um Studienprogramme mit wenigen Plätzen handle. Die großen, klassischen Fächer beteiligten sich dagegen nicht an der Modernisierung. Fischer-Blum: „mit Ausnahme von Hamburg“.

Fischer-Bluhm plädiert für die Beibehaltung des integrierten Systems, auch weil es in den Fachbereichen leichter verwirklicht werden kann. Denn viele Wissenschaftler fürchten eine Absenkung des Niveaus, wenn im Bachelorstudium nur „praxisorientiert“ das bereits vorhandene Wissen vermittelt und erst im Masterstudium forschungsorientiert studiert werden darf. Eine Modularisierung und ein Leistungspunktesystem, das die große Prüfung am Ende schon vorwegnimmt, sei dagegen „nützlich für die Studierenden“, so dass man diese an den großen Fächern schrittweise einführen sollte. Es wäre, so Fischer-Bluhm, aber für die Lehrenden eine harte Belastung: „Wenn wir den Bachelor richtig als berufsqualifizierenden Abschluss einführen, mit Prüfungen, Modularisierung und der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, erfordert das den drei- bis vierfachen Betreuungsaufwand“. Es sei fraglich, ob die Lehrenden dies bei der heutigen Studierenden-Professoren-Relation bewältigen.

Bleibt die Vorstellung, mit der auch Dräger rechnet, dass ein Bachelor große Rescourcen freisetzt, weil nur noch ein Drittel für den Master bleibt. Fischer-Bluhm warnt vor so einem Bachelor für die Masse: „Das können wir uns gar nicht leisten.“ Habe doch Deutschland eine viel zu geringe Quote von Absolventen mit Hochschulabschluss auf Diplom- und Masterebene und müsse diese nicht senken, sondern steigern.