„Wir sind alle nervös“

Bis Ende November soll die Dohnanyi-Kommission Strukturvorschläge erarbeiten. Die Hochschul-Präsidenten würden gern vieles lassen, wie es ist

von KAIJA KUTTER

Die Vorgeschichte war spannend. Da wollte Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) im April die sechs Präsidenten per Vertrag verpflichten, die ihnen noch gar nicht bekannten Vorschläge einer Expertenkommission zu befolgen. Es gab einen Eklat, die Sache wurde gemildert, nun sind sie nur noch zur „hochschuladäquaten Umsetzung“ jener Empfehlungen verpflichtet.

Bei der Präsentation der Experten im Juli wartete der Jungsenator dann mit der nächsten Überraschung auf: Die Kommission unter Vorsitz von Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi ist fest in der Hand der Unternehmensberatungsfirma McKinsey. Sie sorgt dafür, dass der Bericht bis Ende November fertig wird. Und sie darf einen Bericht erstellen, der die „Anforderungen der Metropolregion Hamburg an die Hochschulen“ formuliert, auf Basis des von Bürgermeister Ole von Beust angestrebten Konzepts „wachsende Stadt“ und der McKinsey-eigenen „Hamburg Vision 2020“.

Das Bürgermeister-Konzept strebt ein Anwachsen der Stadtbevölkerung auf 2,2 Millionen an und verbietet somit eigentlich den Abbau von Studienplätzen. Denn Hamburg deckt mit seinen 11.000 Anfängerplätzen jährlich gerade eben den Landesbedarf. Will eine Metropole wachsen, muss sie junge Menschen anlocken. Ein Studienplatz wäre eine geeignete Methode.

Die McKinsey-Vision setzt auf die Schaffung von „Clustern“, so nennen die Berater ökonomische Netze von Unternehmen und darauf ausgerichteten Hochschulen. Als zukunftsträchtige Branchen werden dort Werbung, Konsumgüter, Medien, Gesundheitstechnik, Flugzeugbau und der Hafen genannt. Die erlesene Expertenrunde, die bis auf wenige Ausnahmen sehr wirtschaftsnah besetzt ist, soll nun besagte Gesellschaftsanforderungen mit den Visionen der Hochschulen verknüpfen. Und sie soll sagen, auf was man verzichten könnte, um anderes besser zu machen.

„Wir sind zur Zeit alle nervös“, sagt ein Hochschulpräsident. Schließlich schweben auch die Wörter Schließung und Platzabbau in der Luft. Auch wenn Kommissionsleiter Klaus von Dohnanyi bei seiner Vorstellung sagte, er könne nur für die „langfristige Planung einen Rat geben“, das Ganze dürfe „nicht so eng“ sein.

Die Kunst schon in Einzelteile zerlegt

Die Hochschule für bildende Künste (HfbK) galt bereits unter den Präsidenten als aufgeteilt. Die Architektur sollte an eine gemeinsam mit TU und HAW zu gründende „School of Architecture“ abwandern, den Filmbereich sollte die neue Medienakademie übernehmen. Die übrig gebliebene Freie Kunst könnte mit der Musikhochschule fusionieren. Als Indiz für diese Paarung werten Beobachter die Berufung von Lothar Romain in die Kommission, an dessen Berliner Hochschule beides vereint ist.

„Der HfbK-Präsident hat seinen Kopf gerade noch gerettet“, glaubt ein Hochschulleiter zu beobachten. Jener präsentierte jüngst ein charmantes Reformkonzept für die Kunsthochschule, das auf Interdisziplinarität setzt und die Rauslösung einzelner Fächer unsinnig erscheinen lässt (siehe Seite 12). Es soll, so versprach Dräger, in der Kommission nun Beachtung finden. Auch Hermann Rauhe, Präsident der Hochschule für Musik und Theater, wäre Gegner einer solchen Fusion. Sein Argument: es spart nichts und es nützt auch nicht viel, „institutionelle Zusammenarbeit führt nicht automatisch zur inhaltlichen Kooperation“. Auch käme die Musik an Standorten, wo sie mit der Kunst zusammenging, nicht zur Geltung.

Wenig Neigung, beim großen Puzzlespiel der Hochschulen mitzumachen, zeigt auch TU-Präsident Christian Nedeß. Die gerade erst als Hauptstudium zugelassene Stadtplanung will er unbedingt behalten, auch möchte er nicht seine Bauingenieure in die School of Architecture abgeordnet wissen. Nötig, nicht für die TU, aber für Hamburg, sei dagegen eine Verdoppelung der Ingenieurskapazitäten.

Die Ökonomen in der alten Post konzentriert

Heftige Gerüchte ranken sich um die HWP. Wie alle kleinen Hochschulen will auch sie sich nicht in einer Opferrolle sehen, erkennt doch sogar Dräger hier ein Paradebeispiel für Hochschulreformen. Doch es gibt das Planspiel, die Betriebswirtschaft von Uni, HAW und HWP zur „School of Economics“ im der alten Post an der Schlüterstraße zusammenzufassen. Andere wiederum sahen die HWP bereits zwischen Uni und HAW aufgeteilt. HWP-Chefin Dorothee Bittscheidt selbst bietet an, viel mehr Bachelor-Studierende aufzunehmen und damit die Uni zu entlasten. Der dortige Fachbereich Wirtschaftswissenschaften gilt wegen hoher Abbrecherquote als Sorgenkind. Die Entscheidung, dort nun einen Bachelorabschluss einzuführen, wird von dritter Seite als „Verzweiflungstat, um Studenten loszuwerden“, gedeutet. In ihrem Strategiepapier für die Kommission zeichnen Dekan und Prodekan ein anderes Bild. Demnach ist die Nachfrage für BWL-Plätze ungebrochen, sind die Absolventen auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Im Jahr 2010, so die Planer, könnte die Zahl der Studierenden sogar von derzeit 5500 auf 9500 wachsen, „was aus unserer Sicht weit über der sinnvollen Größe für einen Fachbereich liegt“. Man müsse dann entweder weiterhin viele Bewerber abweisen oder den Fachbereich aufteilen.

Mit 4800 Studierenden nicht unbedingt so groß bleiben, wie man ist, will man auch am Fachbereich Rechtswissenschaft. Dekan Karl-Heinz Ladeur schrieb kürzlich in einem Leserbrief, ein Drittel seiner Studierenden wäre „schlecht“ und an der Fachhochschule besser aufgehoben. Man habe, so Ladeur zur taz, „in zunehmendem Maße das Problem, dass Studierende Verständnisprobleme haben und abstrakte Gedankengänge nicht nachvollziehen können“. Studierende, denen an Fachhochschulen bei der Ausbildung zum Diplomjuristen zu einem „sehr guten Wissensstand“ verholfen werden könne. Darauf reagierte bereits vor Jahren der Wissenschaftsrat, indem er empfahl, die Fachhochschulen stärker auszubauen. Ladeur: „Das ist aus finanziellen Gründen nicht geschehen.“ Er hat deshalb die Sorge, dass die Uni zur Fachhochschule gemacht wird.

Ginge es nach Hans-Gerhard Husung, würde Hamburg den umgekehrten Weg gehen: „Zur wachsenden Stadt gehört eine wachsende HAW“, sagt der Präsident der kürzlich in „Hochschule für Angewandte Wissenschaften“ umbenannten Fachhochschule. Er kann sich sowohl bei BWL als auch bei Recht eine Umschichtung zugunsten seiner Hochschule vorstellen. „Das geht aber nicht von heute auf morgen. Da braucht man eine Übergangsstrategie“, erklärt er. Ein Vorteil für Studierende ist die andere Personalstruktur der Fachhochschulen. Professoren haben dort mit 18 statt 8 Semesterwochenstunden eine viel höhere Lehrverpflichtung, was eine bessere Betreuung ermöglicht. Würde man einen C4-Professor der Uni an die HAW versetzen, hat er weiterhin das Anrecht zu forschen. Einer solchen Verlagerung würde vielleicht auch Uni-Präsident Jürgen Lüthje nicht widersprechen. Sieht er doch in der Verkleinerung der großen Fächer BWL und Jura „eher einen qualitätssteigernden Effekt“. Ansonsten will er jedoch für den Erhalt der Fächervielfalt streiten: „Hamburg ist die internationalste Stadt der Bundesrepublik. Was passt da besser als ein Angebot von über 100 Sprachen und Kulturen.“

Geisteswissenschaften geflissentlich ignoriert

Keineswegs gewünscht, sondern als Bedrohung empfunden wird eine Verlagerung zur Fachhochschule von den Geisteswissenschaften. So will die Behörde in diesen Fächern gesonderte Hauptseminare für Lehramtsstudierende durchsetzen, die sich auf die Vermittlung eines Kerncurriculums beschränken. „Uns wurde gesagt, wenn ihr da nicht mitmacht, verlagern wir die Lehrerbildung an die Fachhochschule“, berichtet Jürgen Sarnowsky. Da die meisten Geisteswissenschaften zu 50 Prozent und mehr von Lehreramtsstudenten belegt werden, würde hier ein „Abbau auf Umwegen“ stattfinden (s. S. 6). Der Dekan des Fachbereichs Geschichte und Philosophie plädiert dafür, die künftigen Lehrer weiterhin in regulären Seminaren studieren zu lassen, weil „Faktenlernen und kritische Reflektion“ zusammen gehören .

Die Geisteswissenschaftler sehen sich ohnehin kaum beachtet. In die Expertenkommission wurde erst Wochen später auf massiven Druck der Uni mit dem Philosophen Jürgen Mittelstraß einer der ihren berufen. Und in dem Fragebogen der Behörde, der die Begutachtung vorbereitete, durfte Sarnowkys Fachbereich insgesamt nur drei Forschungsschwerpunkte angeben. Sarnowsky: „Das war symptomatisch dafür, das man die Spezifika der Geisteswissenschaften überhaupt nicht erkennt.“ An seinem Fachbereich habe jeder einzelne Professor gleich mehrere Forschungsfelder.

Geisteswissenschaften finden auch beim McKinsey-Report keine Erwähnung. Nur in der Bestandsaufnahme „urbaner Dimensionen“ gibt es als Unterpunkt von „Kultur“ noch ein „Geistesleben“.